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phenomenelle des Tages: Alice B. Toklas

Alice B. Toklas (30.4.1877–7.3.1967)

Alice B. Toklas, by Carl Van Vechten - 1949Bis heute gilt sie als die Frau an ihrer Seite. Ohne ihre Lebenspartnerin, die Schriftstellerin Gertrude Stein, lässt sich für viele diese Alice Babette Toklas kaum denken. Fast 40 Jahre ist sie für die Avantgarde-Autorin Geliebte, Muse, Sekretärin, Freundin, Vertraute, Lebensgefährtin, Köchin, Lektorin und Herausgeberin. Nach Steins Tod konvertiert sie zum christlichen Glauben, in der Hoffnung diese im Himmel wiederzusehen.

Geboren wird Toklas als Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie mit osteuropäischen Wurzeln in Kalifornien. Sie besucht Privatschulen, studiert Klavier an der Universität. Die mögliche Karriere als Konzertpianistin schlägt sie nicht ein, freundet sich aber mit diversen Künstlern an. Sie ist 20 als die Mutter stirbt. 10 Jahre lang sorgt sie für Vater und Bruder, träumt aber von einem anderen eigenständigen Leben. Heiraten, Frau- und Mutter-Sein kommt für sie nicht in Frage, sie fühlt sich zu Frauen hingezogen und will aus der Enge des traditionellen Familienlebens fliehen. 1907 ergreift sie die Chance und fährt nach Paris. Dort trifft sie Stein, die Frauen werden Freundinnen, verlieben sich, ziehen zusammen.

Gemeinsam unterhalten sie einen literarisch-künsterlischen Salon in Paris. Die Avantgarde geht bei ihnen ein und aus, Picasso, Hemingway, Cocteau, Matisse und viele andere. Wer auf sich hält, verkehrt bei ihnen. Viele werden Freunde. Berühmt ist auch die Kunstsammlung, die Stein schon mit ihrem Bruder begann. Die legendären Buchhändlerinnen Sylvia Beach und Adrienne Monnier gehören ebenso zum Freundeskreis wie die Frauen von der Left Bank um Natalie Clifford Barney.

Toklas glaubt an die literarische Kunst Steins, tippt und redigiert ihre Werke, kümmert sich darum, dass sie heraus gegeben werden. Sie selbst zögert, ebenfalls ihren schriftstellerischen Ambitionen nachzugeben. Erst nach Steins Tod 1946 widmet sie sich eigenen Projekten. In 2 Kochbüchern veröffentlicht sie Rezepte, garniert mit Geschichten über gemeinsame Essen mit den inzwischen berühmten Künstlerfreunden. Später erscheinen ihre Memoiren What is remembered, deren zentraler Punkt das Leben mit der toten Gefährtin ist. Verarmt stirbt sie 1967, kurz vor ihrem 90. Geburtstag. Toklas und Stein liegen im selben Grab auf dem Père Lachaise in Paris.

Anekdote am Rande: 1968 setzt Regisseur Hy Averback den Cannabis-Brownies, deren Rezept Toklas 1954 in ihrem ersten Kochbuch veröffentlichte, und ihrer Autorin ein Denkmal in dem Film I love You, Alice B. Toklas. Letztlich befreien ein Hippie-Mädchen und ihre Brownies à la Toklas den Protagonisten aus seiner langweiligen bürgerlichen Existenz.

Foto: Carl Van Vechten [Public domain], via Wikimedia Commons

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