phenomenelle

informelle

LITFEST homochrom

phenomenelle des Tages: Susi Beckers

Ich hab im Rhein Schwimmen gelernt und bin am anderen Ufer angekommen.

Susi Beckers (11.8.1929–6.7.2013)

LESgende Susi Beckers

Lesbisches Rolemodel und Golden Girl aus Köln

Susi Beckers ist prominent in der Kölner Community. Sie ist  Rolemodel, Stadtpflanze durch und durch, Charmeurin, engagierte Lesbe. Im Flur ihrer gemütlichen Wohnung an den Kölner Ringen hängt ein Anastacia-Poster gleich neben der Fotogalerie mit Erinnerungsbildern von ihrem geliebten Yorkshire-Terrier Pascha. Allerlei Medikamente liegen auf dem Sideboard und zwei Eintrittskarten für eine queere Theateraufführung im Bürgerzentrum Stollwerck. Susi ist 83 Jahre alt.

Ende der 50er Jahre, als 28-jährige, wurde sie von einer Frau verführt. Damals, sagt Susi, sei sie am anderen Ufer angekommen und habe es nie mehr gewechselt. Ihr lesbisches Leben, durchaus mit wechselnden Liebhaberinnen, lebte sie im Privaten. Von den einschlägigen Kölner Clubs, der so genannten Subkultur, hatte sie ncihts gewusst. Immerhin schaffte sie es, ihr eigenes Leben zu leben inmitten dieser homophoben, reaktionären 50er und 60er Jahre, die lesbische Frauen mit Mutterschaftsideologie und schwule Männer mit dem Paragraphen 175 unter Druck setzten.

Für viele brachte der Beginn der schwulen Emanzipationsbewegung und der Neuen Frauenbewegung den entscheidenden Anstoß, sich zu politisieren und auf der Straße für gleiche Rechte zu kämpfen. Susis politische Zeit begann, als manche der früheren Aktivist_innen sich schon wieder zur Ruhe gesetzt hatten: Kurz nach der Jahrtausendwende entdeckte die inzwischen knapp 70-Jährige die lesbisch-schwule Community. Seitdem drückt sie aufs Tempo: Sie war mit dabei, als sich in Köln mit den Golden Girls eine Gruppe lesbischer Frauen 55 plus gründete, der sie bis heute eng verbunden ist.

Diese Gruppe, sagt sie, gab ihr das nötige Selbstbewusstsein. So plauderte sie 2003 auf der landesweiten Seniorenmesse in Essen mit der damaligen Familienministerin Birgit Fischer und unterstützte damit die beginnende lesbisch-schwule Senior_innenarbeit des Kölner RUBICON. Ein politischer und medienwirksamer Höhepunkt war der Kölner CSD 2005. Sie und Butz Brand, schwuler Seniorenaktivist in der Rheinmetropole, stellten sich als Models für die Plakatkampagne des Kölner Lesben- und Schwulentags zur Verfügung. „lebenslang liebens:würdig“ lautete das Motto damals. Es war ein engagierter Appell an die Community, sich dem Altersthema zu öffnen und auch als älter werdende Stonewall-Generation präsent zu bleiben in der Öffentlichkeit.

Wo geht das besser als auf der Bühne? Bei der ersten Produktion des schwul-lesbischen Altentheaters Gold und Eden, im Rahmen des Kölner Sommerblutfestivals initiiert, war Susi mit von der Partie. Das Theaterspielen wurde ihr dann doch zu viel. Beim ColognePride mischte sie jedoch weiter mit, prominent und altersfreundlich platziert in einem Cabrio, von wo aus sie den Zuschauer_innen kess zuwinkte. Den Humor hat sie behalten, auch wenn es gesundheitlich nicht mehr zum Besten steht. Sie bekommt jetzt viel von dem zurück, was sie der Community gegeben hat. „Ich bin froh“, sagt Susi, „das alles so gekommen ist!“

Das Porträt von Susi Beckers erschien erstmals in der FRESH, Februar 2013 auf Seite 49. Die Autorin, Carolina Brauckmann, hat uns freundlicherweise genehmigt, den Text zu veröffentlichen.

Am Samstag, dem 6. Juli 2013, verstarb Susi Beckers kurz vor ihrem 84. Geburtstag in Köln. Ihre Freundinnen von den Golden Girls begleiteten sie bis zum Schluss. Wenige Wochen vor ihrem Tod hatten wir noch die Ehre und das Vergnügen, Susi für unsere LESgenden-Reihe zu interviewen. Das Video werden wir in den nächsten Wochen veröffentlichen. Wir werden Susi, ihren Charme und ihre Lebenslust vermissen. Adieu, Susi.

Related Posts

2 thoughts on “phenomenelle des Tages: Susi Beckers”

  1. Ramona sagt:

    Danke für den schönen Nachruf, liebes phenomenelle-Team. Ich hatte das Glück Susi vor ein paar Jahren persönlich kennenzulernen und für mich war sie, wie ihr sie auch beschrieben habt, eine herzensgute Charmeurin mit Schalk im Nacken.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige


Anzeige LITfest homochrom 06.–08.08.2021

visuelle

  • Fernsehinfos vom 28. Dezember 2024 bis zum 10. Januar 2025
  • Fernsehinfos vom 14. bis zum 27. Dezember 2024
  • Fernsehinfos vom 30. November bis zum 13. Dezember 2024
  • Radiotipp: Die Linguistin Luise F. Pusch im Gespräch
  • Buchtipp: Daniela Schenk: Mein Herz ist wie das Meer
  • Buchtipp: Elke Weigel – „Wind der Freiheit“
  • Buchtipp: „Riss in der Zeit“ von Ahima Beerlage
  • Filmtipp zum 75. Geburtstag von Ilse Kokula
  • Ilka Bessin: Abgeschminkt – Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede
  • Interview und Verlosung zu 25 Jahre „Krug & Schadenberg“
  • Der Schottische Bankier von Surabaya: Ein Ava-Lee-Roman
  • CD-Review: LAING sind zurück mit neuem Album
  • Interview: „Diversity muss von der Führung kommen“
  • 5 Serien für Fans starker TV-Charaktere …
  • „Danke Gott, dass ich homo bin!“ – Filmreview von „Silvana“
  • Buchrezi: „Lesbisch. Eine Liebe mit Geschichte“
  • Rückblick auf die NorthLichter
  • DVD-Rezi: „Call My Agent“ – Staffel 2
  • Berlin: Etwas andere Pride Parade am 23. Juni 2018 …
  • Buchrezi: Carolin Hagebölling „Ein anderer Morgen“
  • Ausstellungseröffnung „Lesbisches Sehen“ im Schwulen Museum Berlin
  • „The Einstein of Sex“ – Stück über Magnus Hirschfeld
  • „Here come the aliens“ – Das neue Album von Kim Wilde
  • Album-Review: Lisa Stansfield „Deeper“