kulturelle
Buchtipp: Robin und Jennifer
Dieses Buch ist schon zuende? Oh nein!!!
Die Geschichten von Robin und Jennifer, die schlussendlich zu einer werden, haben mich so in ihre Zeit versetzt, dass ich ihnen gern noch weitere dreizehn Jahre gefolgt wäre.
Es liest sich leicht, was Elke Weigel da mitunter Schweres beschreibt.
Beide Mädchen wachsen um 1900 in unterschiedlichen Verhältnissen auf und haben doch viel gemeinsam: Tante Erna, die Robin niedermacht, wo es nur geht, Jennifers zudringlicher Stiefvater, der Grund für den Alkoholkonsum von Jennifers Mutter ist und sie gerne mit einem Mann verkuppeln möchte – die eine in Bad Cannstatt/Stuttgart, die andere in Paris.
Elke Weigel zeichnet Bilder von zwei Welten mit ihren Worten und es ist ein richtiges „Abtauchbuch“. Es geht um Sehnsucht, um Gleichberechtigung und um Freiheit.
Robin und Jennifer bemerken früh, dass Frauen in ihrer Zeit Beiwerk von Männern sind und dass Selbstständigkeit Gefahr bedeuten kann. Sie spüren, dass sie anders sind, mehr wollen. Während Robin sich Dank ihres liberalen Bruders beim liebenden Vater durchsetzt, studieren zu dürfen, schaltet Jennifer beim Tanzen ab und lernt, Gefühle und Sehnsüchte so zu verarbeiten. So sammelt sie auch erste Erfahrungen mit einer Frau, liebt sie einfach, ohne nachzudenken. Robin hingegen stößt immer wieder auf Paragraph 175, unterdrückt ihre Gefühle und erlaubt sich auch später nicht, einer Frau einfach so ihre Gefühle zu gestehen. Sie hat Angst, sie in Gefahr zu bringen.
Gerne trägt sie Männerkleidung und schneidet sich das Haar kurz. Ein Ferienaufenthalt öffnet ihr gleich doppelt die Augen: Die Schulkameradin, in die sie verliebt ist, ist anders, als Robin denkt und ihr eigenes Anderssein wird erstmals akzeptiert – und „Die Generälin“, bei der sie wohnen, bleibt ein wichtiger Kontakt fürs Leben.
Als schließlich die Leben von Robin und Jennifer dramatische Wendungen nehmen, treffen sie auf dem Monte Verita, Begegnungsstätte von Künstlern und Freigeistern, zusammen. Aber auch hier gibt es angehende Nazis und konservative Menschen.
Leider gibt es ein paar Rechtschreibfehler, wie z.B. Bad Cannstadt statt Bad Cannstatt im Klappentext, aber die alten Fotografien und die gesamte Geschichte trösten seeeehr darüber hinweg: Elke Weigel beschreibt die Orte, Szenen, Menschen so nah und bunt-charaktervoll, dass ich das Gefühl hatte, ich sehe einen Film vor mir, in den ich reinspringen und mich somit hinwünschen kann, in diese Zeit. Ein wahnsinnig schönes Buch mit wunderbaren Sätzen wie „Paris ist wie eine Frau. Sie hat tausend Seiten, und nie wirst du alle erlebt haben“ oder „Wir brauchen die Gefühle. Ich lerne von dir den Ernst des Lebens, aber lass dich auch verzaubern und lerne schweben“.
Wunderbar!!