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Selbst.Bewusst.Lesbisch – die Podiumsdiskussion in Köln
Die Podiumsritterinnen der Tafelrunde lesbischer Sichtbarkeit: (stehend v.li) Eva Kreienkamp, Imke Duplitzer, Inge von Bönninghausen, Ulrike Lunacek, Louisa Voßen, (sitzend v. li.) Birgit Bosold, Sina Vogt
Die Lesben müssen bleiben
Um die Sichtbarkeit von Lesben ging es bei der prominent besetzten Podiumsdiskussion „Selbst.Bewusst.Lesbisch“ der Wirtschaftsweiber in Kooperation mit der Magnus-Hirschfeld-Stiftung am Donnerstagabend in Köln. Für die rund 180 Besucherinnen und Besucher war lesbische Präsenz nicht nur deutlich zu sehen, sondern auch zu hören und zu spüren.
Eindeutig sichtbar waren die Lesben am Donnerstagabend im Alten Pfandhaus in der Kölner Südstadt. Im dicht gefüllten Saal hatten sich rund 160 Frauen eingefunden, die sich gern Lesben nennen. Sie und einige Männer waren der Einladung der Wirtschaftsweiber NRW und der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gefolgt. Zum Gespräch geladen waren sechs Erfolgsfrauen aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Sport. Sie alle waren sich in den malerischen Kulissen von Henry Purcells König Arthur der Kölner Kinderoper rasch einig: In unserem Alltag und in den Medien sind wir noch nicht sichtbar genug. Es gibt noch viel zu tun für eine positive Wahrnehmung lesbisch lebender Frauen.
Drei Generationen lesbische Prominenz
Auf dem Podium saßen als lesbisch sichtbare Ritterinnen der Gesprächsrunde Dr. Birgit Bosold vom Vorstand des Schwulen Museums* Berlin, Eva Kreienkamp als Geschäftsführerin der Mainzer Verkehrsgesellschaft, Journalistin Dr. Inge von Bönninghausen für die Medienfraktion, Imke Duplitzer als Olympionikin und Vize-Weltmeisterin im Degenfechten, Louisa Voßen vom schwul-lesbischen Jugendzentrum PULS in Düsseldorf und Ulrike Lunacek als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Sie repräsentierten unterschiedliche Generationen, alle durchweg routinierte Profis und fast alle von Beginn an offen lesbisch im Beruf.
Souverän optimistisch
Ideale Vorbedingungen also. Die prominenten Vorbildfrauen stellten sich der lebhaften Debatte dann auch in bester Plauderlaune. Alle kamen zu Wort und das sichtlich gern. Das Publikum diskutierte eifrig mit, und die Stimmung blieb auch in kontroverseren Augenblicken optimistisch bis heiter. Nicht zuletzt dank Moderatorin Sina Vogt, die immer wieder souverän die Gesprächsfäden zusammenführte.
Wir brauchen das L
Zunächst bewegte die Gemüter die in letzter Zeit immer öfter gestellte Frage nach der Begrifflichkeit: Ist das Wort Lesbe noch zeitgemäß? Und ja: Auch 2015 gibt es noch eine klare Mehrheit für das L in LSBTI*. „Je mehr Buchstaben, desto schwerer ist es, ein gemeinsames Ziel zu finden“, kam eine Stimme aus dem Publikum. Dass durch das Sternchen* niemand aus der Community ausgeschlossen wird, so der Tenor, hilft nicht viel, wenn es dafür nur wenige verstehen oder sich auch nur merken.
Darstellbare Vorbilder
Wer sichtbar sein will, muss auch erkennbar auftreten. „Wie sollen wir denn queer so darstellen,“ fragte sich Inge von Bönninghausen, „dass junge Frauen das sehen und genau so sein wollen?“ Auch Ulrike Lunacek vermisst in den Begriffsalternativen die Weiblichkeit: „In queer ist die Sichtbarkeit von Frauen nicht gegeben“, erinnerte sie.
Lesbische Enkelinnen
Mit dem „Lesbischsein“ gab es dagegen wenig Probleme, auch wenn eine Publikumsstimme eindringlich (und unter Beifall) davor warnte, die Lesben zur „besseren Minderheit“ zu machen. Dennoch: Nicht nur vom Feminismus der Siebzigerjahre geprägte Frauen beharrten entschieden auf ihre lesbische Identität. Nein, auch ganz junge Frauen, Unter-20-Jährige und Studentinnen sind stolz auf das oft geschmähte „Label“ der Lesbe und der Feministin. Für mich eine der schönsten Überraschungen des Abends und für Inge von Bönninghausen Anlass zum gerührten Ausruf:
Ich habe Enkelinnen!
„Die meisten finden Schubladen gut“, bemerkte Louisa Voßen ganz pragmatisch über die lesbischen Mädchen, mit denen sie im PULS das Generationencafé leitet. Die gehen nämlich, so Voßen, nicht nur zum L-Beach, sondern auch zum Lesbenfrühlingstreffen LFT: „Ohne die Vorarbeit der lesbischen Feministinnen würde es uns gar nicht geben.“
Die Hälfte fordern
Diskriminierungsfrei unsere soziale und sexuelle Identität leben zu können, ist ein Ziel. Darüber den Begriff „lesbisch“ auch in seiner politischen Dimension zu wahren, lag vielen am Herzen. „Die Hälfte des öffentlichen Raums“ forderte nicht nur Ulrike Lunacek. Gleichzeitig empfahl sie gerade denjenigen, die sich häufig offen für feministische Ziele aussprechen, „genügend Schutzräume und Verbündete“ zu suchen und zum Beispiel nicht immer alle Online-Kommentare selbst zu lesen.
Nicht erpressbar machen
In den höheren Rängen von Wirtschaft und Politik stehen Frauen nach wie vor nur vereinzelt zu ihrer lesbischen Identität. Eva Kreienkamp sagte, sie könne sie „an einer Hand abzählen“, und das „obwohl es faktisch keine Hindernisse für ein Coming-out“ gäbe. Ulrike Lunacek stellte sich als die erste und lange Zeit einzige offen lesbische Frau im Europaparlament vor. Dabei sei es „so wichtig, sich nicht erpressbar zu machen“.
Netzwerke geben Selbstvertrauen
Netzwerke helfen dabei, das nötige Selbstwertgefühl zu stützen und eine eigene Lobby aufzubauen. Das haben beide Führungsfrauen erfahren – mit den Wirtschaftsweibern und der LGBTI-Intergroup des EU-Parlaments. Sabine Arnolds, Chefredakteurin der phenomenelle, nannte zusätzlich Online-Foren als gute Sichtbarmacher und forderte uns auf, offene Chats und Blogs von Lesben zu lesen und auf feindselige Kommentare und Online-Häme deutlich zu kontern.
Unseren Platz reklamieren
Es kamen noch mehr Verbesserungsvorschläge. Birgit Bosold setzte auf mehr Präsenz der Frauen in schwullesbischen Zusammenhängen: „Wir müssen unseren Platz in gemischten Organisationen reklamieren“, sagte sie. Das Publikum sah dabei auch die Schwulen in der Pflicht. Schwule Männer müssten „sensibler werden im Hinblick auf Patriarchatskritik“ und sich wieder auf gemeinsame Ziele von Schwulen und Lesben besinnen. Klare Worte aus dem Publikum: „Solange ein Schwuler sich nur mit Heteromännern gleichmachen will, kann er nicht mein Bündnispartner sein.“
Lesben an die Mikrofone
Die öffentlich sehr präsente WM-Degenfechterin Imke Duplitzer forderte mehr Kampfgeist: „Wir müssen auch in der Öffentlichkeit zu uns stehen und sagen: Ja, das ist so und ist gut so.“ Für den Nachwuchs ein Vorbild zu sein, findet sie wichtig – ganz besonders angesichts der jüngeren Beschwerden gegen Regenbogenfamilien in Schulbüchern. „Kinder müssen wissen, dass es Lesben gibt … und jede, die Jugendlichen eine lesbische Realität gibt, ist wichtig.“
„Es ist an jeder einzelnen Person, ihre Identität zu finden und damit nach außen zu gehen“, resümierte Eva Kreienkamp. „Lesbische Frauen haben Klarheit darüber, wie es ist, sich als autonome Frauen zu bewegen.“ Sie sieht das durchaus als „Vorteil, der an die Welt gebracht werden muss“.
Medien-Backlash
Fiktionale Lesbenbilder sind heute noch immer nicht sonderlich positiv. Inge von Bönninghausen führte den neuen Backlash der Medien ins Feld mit seiner unguten Tendenz, Lesbischsein wieder als tragisches Schicksal oder gar psychotisch darzustellen. Ausnahme seien nur lesbische Mütter, die als gute Versorgerinnen gezeigt würden. In solchen Fällen helfen Beschwerden beim Sender.
Es sind natürlich Veranstaltungen wie „Selbst.Bewusst.Lesbisch“, die letztlich lesbische Sichtbarkeit ausmachen. Wenn wir sie besuchen und mitreden, werden wir gesehen. Folgerichtig versprechen dann auch die Wirtschaftsweiber, Folgeveranstaltungen seien bereits geplant.