kulturelle
Sarah Dreher und Stoner McTavish
Sarah Dreher schuf mit ihrer Stoner McTavish eine der wichtigsten Heldinnen der feministischen Genre-Eroberung.
Kulturell hat Stoner ihrerzeit im deutschsprachigen Raum ungeheuer viel bewegt – sie war die erste lesbische Antiheldin, mit der sich Lesbe wie Hetera begeistert identifizieren konnte. Ich erinnere mich, wie ich Anfang der 1990er durchs Land tourte, um meine Krimireihe vorzustellen und mit begeisterten Leserinnen zu diskutieren, und dabei Erlebnisse hatte wie dieses: Eingeladen vom Frauen-Asta Göttingen kam ich auf dem dortigen Bahnhof an und traf auf eine Abordnung von fünf jungen Frauen, die unisono Stoner-Dialoge rezitierten! Ich war platt.
Sarah Drehers romantische Abenteuerkrimis um Stoner McTavish, ihre Angebetete Gwen und ihre skurrile Tante Hermione markieren nicht zufällig die erfolgreichste Blütezeit der Ariadne Krimis. Keine andere fiktive Figur hat damals so einhellig an Verliebtheit grenzendes Entzücken ausgelöst wie Stoner. Und bis heute kann man überall noch politisch aktive Frauen treffen, die selbstbewusst von sich sagen, sie „gehören zur Stoner-Generation“ – und das steht als eine Art Chiffre für den Glauben an eine frauensolidarische, dabei durchaus auch romantische, für Gerechtigkeit eintretende feministische Kultur.
Auch wenn wir Ariadne-Macherinnen von der späteren zunehmend esoterischen Entwicklung der Stoner-Romane nicht so angetan waren (von ihrer US-Verlegerin weiß ich, dass Sarah selbst im Laufe der Jahre immer mehr an Angstpsychosen und Einsamkeit litt, weshalb sie ihr Heil im Schamanismus suchte), so bleibt doch Stoner McTavish für immer eine echte Ikone in der Geschichte des feministischen Krimis. Und von Sarah Dreher lässt sich lernen, wie man auf mitreißende und humorvolle Weise so schreibt, dass jede Leserin sich gerade in ihren Widersprüchen und Zweifeln bestens gespiegelt und dadurch zugleich erkannt und aufgewertet findet. Danke, Sarah, für deine mutige Innovation, deinen köstlichen Humor und dein großes Erzähltalent, mit dem du uns eine wunderbar unvollkommene Heldin geschenkt hast, die viele von uns nie vergessen werden.
Else Laudan
www.argument.de
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