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Absolut sehenswert: The Foxy Merkins
Margarete (Lisa Haas) Leben ist nicht unbedingt ein Wunschkonzert. Nach zahlreichen vergeblichen Bewerbungsversuchen sieht sich die familien-, arbeits- und obdachlose Mitdreißigerin mit einer äußerst unkonventionellen Jobalternative konfrontiert: Margaret – gut gepolstert, asthmatisch, schüchtern – ist eine lesbische Prostituierte – und das … äußerst unerfolgreich. Statt offensiver Offerten ergreift Margaret vor potentiellen Kundinnen regelmäßig die Flucht oder erleidet vor lauter Aufregung einen asthmatischen Anfall. Doch dann begegnet sie der selbstbewussten und schönen Jo (Jackie Monahan). Der weitaus erfahrenere Rotschopf – die sich trotz ihrer zahlreichen Frauengeschichten als durchweg hetero definiert – nimmt Margaret unter ihre Fittiche und führt sie in die Geheimnisse des lesbischen Prostituiertentums ein: dem richtigen Standort vor dem konservativen Bekleidungsgeschäft Talbot, dem Lesen und Aussenden augenscheinlich eindeutiger Signale, dem häuslichen Einrichten in öffentlichen Toiletten sowie dem richtigen Umgang mit uniformierten Ordnungshütern. Gemeinsam durchleben die beiden grundverschiedenen Frauen alle Höhen (die erste Stammkundin!), Tiefen (Bezahlung durch Talbots-Gutscheine) und Skurrilitäten (da wären wir wieder bei den Ordnungshütern…) ihres Berufszweiges und werden nicht nur zu ebenbürtigen Arbeitskolleginnen, sondern auch zu richtigen Freundinnen. Margaret vertraut sich ihrer neuen Freundin immer weiter an und schließlich machen sich die beiden sogar gemeinsam auf die Suche nach Margarets verschwundener Mutter. Doch dann begegnet Jo plötzlich einem gutaussehenden, gut verdienenden Italiener …
Herrlich skurril, herrlich verwirrend, herrlich komisch
The Foxy Merkins (- zu Deutsch: Das rothaarige Scharmhaartoupet -) ist der neueste Featurefilm der international erfolgreichen LGBT-Regisseurin Madeleine Olnek. Olnek debütierte bereits mit ihrem ersten Kurzfilm „Hold up“ aus dem Jahr 2006 auf dem renommierten Sundance Film Festival, das sie in den folgenden Jahren auch mit allen weiteren Regiearbeiten besuchte. Auch The Foxy Merkins reiht sich in diese Serie der außergewöhnlichen Filmtitel und Festivalerfolge ein. 2014 feierte er auf dem Indiefestival Sundance nicht nur seine Weltpremiere sondern wurde zudem für den Independent Spirit Award nominiert. Zu Recht – The Foxy Merkins ist ein herrlich unkonventioneller, skurriler aber gleichsam unterhaltsamer Film, der in so gar keine Kategorie gängiger Lesbenfilme passen will. Angesiedelt in einer namenlosen kanadischen Stadt skizziert er eine Welt voller kafkaesker Widersprüche, in der offensichtlicher „Irrsinn“ als gewöhnliche Realität gelebt wird: egal ob es der Scharmhaartoupet-Dealer auf dem Friedhof, die Kundin mit dem Polizeifetisch oder Jos vermeintliche Heterosexualität ist – für Jo und ihre Umwelt ist dies die unbestreitbare (und von Jo immer wieder deklarierte) „Normalität“ an der es nichts zu rütteln gibt. Außer für Margarte – großartig verkörpert von Lisa Haas. Mit stoischer Gelassenheit aber einem Blick voller Verwunderung verfolgt sie die verrückten Ereignisse, die in dieser neuen Welt in regelmäßigen Abständen über sie herein brechen. Als stille, fast teilnahmslose Beobachterin bildet sie dabei nicht nur die zentrale Identifikationsfläche für alle Zuschauerinnen, die sich ebenso fremd fühlen wie Margaret selbst, sondern auch das entscheidende Gegengewicht zu Jos Wirklichkeit, das deren Abstrusität immer wieder deutlich ans Tageslicht treten lässt. Aus diesem geschickt konstruierten Spannungsverhältnis zwischen offenkundigem „Wahnsinn“ und gehandelter Normalität ergibt sich eine wunderbar komische Grundatmosphäre, die den gesamten Film problemlos und unterhaltsam trägt. Dennoch entwickeln sich daraus auch zahlreiche Situationen, die sowohl Margaret als auch die Zuschauer teilweise etwas ratlos zurücklassen. So fragt man sich etwa vergebens warum der exhibitionistisch gekleidete Scharmhaartoupet-Dealer nach erfolgreichem Verkauf wie ein Kaninchen hinter (in?) einem Baum verschwindet.
Auch in Hinblick auf die Kontinuität weist The Foxy Merkins einige Schwächen auf. Zahlreiche Motive und Themen tauchen so unvermutet und ungelöst in der Filmhandlung auf, wie sie wieder aus dieser verschwinden. Dazu zählt etwa die Suche nach Margarets Mutter, die völlig unerwartet einen Großteil der Filmhandlung einnimmt, bevor sie wieder sang und klanglos ins Nichts verpufft. Die Vielzahl solcher unabgeschlossenen Geschichten innerhalb des großen Ganzen verleihen The Foxy Merkins streckenweise eine sehr fragmentarische Struktur. Da sich der Film jedoch zahlreicher Stilmittel aus dem Dokumentarfilmbereich – wie etwa vereinzelter Interviews oder einer typischen Kameraführung – bedient, fällt diese Fragmentierung kaum ins Gewicht sondern erhält als Teil eines dokumentarisch angelegten Erzählstils eine gewisse innere Plausibilität.
Insgesamt ist The Foxy Merkins ein seltsam unterhaltsamer Film, der zum einen von seinen großartigen Hauptdarstellerinnen, zum anderen von seiner skurril realen Welt lebt, die vielleicht nicht mehr als das überzogene Bild unserer eigenen Wirklichkeit und gerade deswegen so verstörend komisch ist – absolut sehenswert!
THE FOXY MERKINS (USA/ 2013)
Regie: Madeleine Olnek
Trailer: [vimeo]http://vimeo.com/95672660[/vimeo]
Klingt toll – wir brauchen mehr Filme wie diesen! 😉