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Heimkino-Start: „Die Tänzerin“ – lesbische Unsichtbarkeit
Porträt einer genialen Unbekannten
„Die ist nichts für Sie. Die ist zu reserviert“, sagt der Theaterdirektor über die noch unbekannte Schauspielerin und Tänzerin Loïe Fuller zu ihrem späteren Gönner. Der antwortet keck: „Das werden wir sehen.“ Ein kurzer Dialog, der gleich die Spannungslinien umreisst, in denen sich Die Tänzerin bewegt (bewegen muss). Rund um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert befindet sich das Patriarchat auf dem Höhepunkt seiner Macht. Der Film verdeutlicht, dass zumindest nach außen die Männer in Fullers Leben die Fäden ziehen. Zeitgleich befindet sich die bürgerliche Welt im Aufruhr. Kunst, Kultur und politische Kämpfe wagen um die Jahrhundertwende den Tabu- ebenso wie den Aufbruch.
Tanzikone und stilgebende Lichtfigur
Mittendrin beschreitet Fuller ihren Weg. Sperrig, eigenwillig und voller Ideen setzt sie ihre Vision vom Tanz auf die Bühne – gegen alle Widerstände. Mit 25 eigentlich zu alt für eine Tanzkarriere macht sie sich von den USA auf nach Frankreich. Dort ist es eine Frau, Gabrielle, die das Besondere an ihr und ihrer Darstellung erkennt. Mit ihrer Hilfe bringt Fuller es bis auf die Bühne der Folies Bergère. Das Publikum im Theater hält den Atem an während ihres Schleier- und Lichttanzes. Dafür hört man Fuller umso lauter atmen und ackern. Das Schöne macht Arbeit, daran lässt Die Tänzerin keinen Zweifel. Am Ende ist der Durchbruch geschafft. Das Publikum jubelt. „Denn diese Schönheit ist erhabener als das Leben“, beschreibt ein Kritiker den Auftritt.
Die Autodidaktin Fuller galt als Magierin des Lichts. Berühmte Künstler wie Toulouse-Lautrec malten sie, Bildhauer wie Rodin schufen Skulpturen nach ihr. Sie beeinflusste den Jugendstil und holte den Tanz aus den Zwängen des Ballett. Ihre bahnbrechende Bedeutung für die Entwicklung des modernen Tanzes ist heute nur noch Wenigen bewusst. Erst 1989 erschien eine Biographie über sie, die vor allem in tanzinteressierten Kreisen bekannt wurde. Das Magische der Fuller-Tänze vermag Die Tänzerin gut einzufangen. Sängerin Soko passt perfekt als unangepasster Star des Films.
Lesbisches Privatleben wird ausgeblendet
Wer ein biographisch genaues Biopic erwartet, dürfte allerdings enttäuscht werden. Zuviel Freiheiten erlaubt sich Regisseurin Di Giusto mit ihrer Protagonistin. Wohlwollend ausgedrückt, mag der herbei fabulierte Gönner und Liebhaber ein Kunstgriff sein. Lassen sich an seiner Figur doch wunderbar die mächtigen Auswirkungen patriarchaler Männlichkeit darstellen. Dass Fullers langjährige Lebensgefährtin Gabrielle allerdings zum „Faktotum“ – wie ein Kritiker ihre Rolle treffend beschrieb – degradiert wird, bleibt ein Ärgernis. Das lesbische Element darf Fuller nur kurz mit der jüngeren und bis heute ungleich bekannteren Tänzerin Isadora Duncan antippen. Deutlicher steht aber auch in dem Verhältnis zwischen beiden die Konkurrenz im Vordergrund.
Passend zum Internationalen Frauentag kommt Die Tänzerin nun für das Heimkino auf DVD und Blu-Ray heraus. Und obwohl der Film das Lesbische unsichtbar macht, bleibt er sehenswert – die Wiederentdeckung einer zu Unrecht fast Vergessenen: Loïe Fuller war eine Pionierin, als Tänzerin wie als Lichtkünstlerin und klug genug, sich ihre Entwicklungen patentieren zu lassen. Dafür bezahlte sie einen hohen Preis, auch das verschweigt der Film keinesfalls.
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Infos zum Film: http://www.taenzerin-derfilm.de