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Interviewserie „Frauen an den Turntables“: DJane Marsmädchen
Eine Frau als DJ – das ist so ähnlich wie eine Frau in der Chefetage eines Großkonzerns. Es gibt sicherlich etliche weibliche DJs, aber die wenigsten schaffen es ganz nach oben.
Der Weg dorthin ist gepflastert mit Vorurteilen und dummen Sprüchen wie “ „Hast du den Track von deinem Freund?“.
Wir wollen bekannten und weniger bekannten weiblichen DJs/DJanes mit unserer Interviewreihe „Frauen an den Turntables“ Gelegenheit geben sich zu äußern und weitere Sichtbarkeit zu bekommen.
Kennst du auch eine weibliche DJ, die wir interviewen sollten? Dann schicke uns bitte eine Info an: redaktionelle@phenomenelle.de
DJane Marsmädchen
Seit wann machst du Musik und wie kamst du dazu?
Musik mache ich schon seit meiner Schulzeit und habe zunächst angefangen in Bands zu spielen.
Zum Auflegen bin ich dann so mit Mitte Zwanzig gekommen, als ich schon von zu Hause ausgezogen bin. Eine damalige Freundin hat auf einer Frauenparty aufgelegt, zu der ich immer
gegangen bin und irgendwann bekam sie ein Angebot, bei einer neuen Partyreihe Musik zu machen. Die Veranstalterin wollte aber zwei DJ´s haben und da habe ich sie dann gefragt, ob ich
da nicht einfach mitmachen könne. Da sie wusste, das ich mich mit Musik auskenne, hat sie mich dann einfach mitgenommen und den ganzen technischen Rest dann learning-by-doing im Club
gezeigt. Die Veranstalterin war zufrieden und mir hat es so Spaß gemacht, das ich es dann dort weitergemacht habe und nach und nach weitere Gigs dazukamen.
Wo legst du überall auf?
Vor allem lege ich in der LGBTI*-Szene in Berlin (wo ich auch wohne) und ganz Deutschland auf.
Auch schonmal in England und Wien. Ist aber kein Kriterium für mich, unbedingt in der Szene aufzulegen. Eigentlich lege ich überall auf und egal für wen. Ob in großen Clubs, wie dem Kino International oder SchwuZ in Berlin, im Kraftwerk in Dresden, Hühnerposten in Hamburg oder kleinen Locations wie im Südblock, SO36 in Berlin, Knust in Hamburg, Artheater Köln. Habe ich alles schon beschallt!
Was bedeutet Musik für dich?
Musik ist schon meine ganze Welt. Ich bin da ein ziemlicher Nerd und habe deshalb auch nochmal angefangen Musikwissenschaften in Berlin zu studieren, weil ich mich damit auch theoretisch beschäftige und viel über Musik lese. Mir reicht es oft nicht, nur einfach die Songs zu hören. Mich interessiert immer wo was herkommt, wer spielt bei der Aufnahme, was sind die Hintergründe etc. Dabei bin ich auch nicht auf ein Genre fixiert. Ich höre und interessiere mich für alles, von Klassik und Jazz über Blues,Rock,Techno,Soul und und und…
Musik bedeutet auch einfach Kommunikation auf einer universellen Ebene. Man kann mit ihr einfach die gesamte Palette menschlicher Gefühle ausdrücken, wie es Worte nicht vermögen und
das bereichert mich ungemein.
Hast du Unterschiede im Umgang mit weiblichen und männlichen Djs festgestellt und wenn ja welche?
Männer sind nach wie vor, wie auch in anderen Bereichen, einfach Selbstbewusster und denken immer sie sind der King, auch wenn das oft nicht der Fall ist. Frauen (und ich würde mich da nicht ausklammern) zweifeln öfter an ihren Qualitäten als DJ. Das kommt natürlich auch daher, das man sich als Frau auch immer noch mehr ins Zeug legen muss, um anerkannt zu werden, denn auch die DJ-Szene, wie die gesamte Musikbranche, ist sehr Männerdominiert. Das beginnt schon mit der Bezeichnung „Djane“. Damit soll ausgedrückt werden, das da jetzt „was anderes“ kommt. Es ist genauso wie mit dem Fußball. Es gibt Fußball und es gibt Frauenfußball. Also quasi das „Richtige“, „Professionelle“ und das „Daneben“, das was man eher belächelt. Vor allem heterosexuelle Männer sind immer ganz erstaunt, wenn sie mich auflegen sehen und kommen auch nicht immer darauf klar, wenn sie das dann auch noch gut finden, was ich da mache.
Glaubst du, dass DJing oder Musik allgemein etwas in der Welt verändern kann und wenn ja, welche Botschaften würdest du übermitteln wollen?
Ich finde nicht unbedingt, das Musik etwas verändert, aber sie kann schon Denkanstöße geben, um dann aktiv zu werden. Es gibt in diesem Zusammenhang eine schöne Anekdote, die ich dafür
sehr bezeichnend finde. Die schwarze Bürgerrechtlerin und Aktivistin Rosa Parks wurde 1955 festgenommen, weil sie die erste schwarze Person war die es wagte, sich in einem Bus auf einen
Sitzplatz für Weiße (damals war ja in den USA alles strikt getrennt in Bereiche für Schwarze und Weiße) zu setzen. Dies viel zusammen mit der Zeit, als die ersten schwarzen Rock´n`Roll-Sänger auch in den weißen Charts auftauchten und die Musik die sie spielten etwas vorher noch nicht Dagewesenes war. Eine Mischung aus schwarzen und weißen Einflüssen. Also hat sie sich gedacht, wenn sowas möglich ist, dann kann ich mich doch jetzt auch im Bus hinsetzten wo ich will. Mit dieser Aktion hat sie praktisch die Bürgerrechtsbewegung in Gang gesetzt.
Musik kann also durchaus als Katalysator wirken.
Auch das Auflegen sehe ich nicht unbedingt als Waffe an, um die Welt zu verändern. Aber ich kann den Leuten zumindest ein paar Stunden ein Lächeln auf die Gesichter zaubern und sie aus ihrem Alltagstrott rausholen und zum Tanzen bringen. Ist auf jedenfall besser, als Jemand der seine Gefolgschaft zu Gewalt aufruft. 😉
Ich halte es da auch eher mit der Friedensaktivistin und Feministin Emma Goldman: „Wenn bei der Revolution nicht getanzt wird, dann mache ich nicht mit!“ 😉
Wie lautet dein momentaner Ohrwurm?
Das vielseitige Album „Love Letters“ von Metronomy.
Wo siehst du die Zukunft des Djings?
Es ist und wird auch noch weiterhin ein zentraler Einfluss auf die Popkultur-und Musikszene sein. DJ is the new Rockstar! Auch immer mehr Bands integrieren DJ´s in ihr Line Up. Es ist nicht mehr nur im Hip Hop oder der Clubkultur zu finden, sondern hat seinen Siegeszug schon längst in alle Bereiche angetreten. Die populäre Musik kann inzwischen auf einen riesigen Katalog an Musik verschiedenster Art zurückgreifen und der DJ wird zu einer Art Verwalter und Verwerter dieser vielen Spielarten, in dem er alles in seinen Sets vermischt und miteinander in Verbindung bringt. Das hat ja mit dem Sampling angefangen und gewinnt auch immer mehr an Bedeutung. Aus alt mach neu bzw. mache was Eigenes aus all der Musik die dir zur Verfügung steht und setzte es in einen völlig neuen Bezug zueinander. Das kann man natürlich als DJ besser als z.B. eine Live-Band.
Welche Tipps würdest du Leuten geben, die Interesse am professionellen Auflegen haben?
Bringt die Leute zum Tanzen, egal wie!
Man sollte sich nicht zu sehr mit technischem Klimbim aufhalten. Zu viel Ausrüstung hilft euch auch nicht über ein schlechtes Set hinweg. Am Ende kommt es immer auf die Songauswahl an und das richtige Timing, wann man was spielt. Entwickelt ein Gespür für Stimmungen und achtet auf die Leute. Seit offen für alle Arten von Musik.
Alles fließt in das eigene Set ein und je vielseitiger, desto besser. Nehmt die Leute mit auf eine Reise. Seit nicht arrogant gegenüber den Leuten. So wie es in den Wald hinein schallt, so kommt es auch wieder raus! Das sorgt nur für schlechte Stimmung und keiner fühlt sich wohl.
Weitere Infos zu Marsmädchen:
Facebook: https://www.facebook.com/djane.marsmaedchen
Fotocredit: Thomas Sielaff