informelle
CSD-Verantwortliche schreiben an Bundeskanzlerin und IOC
Sprechen Sie klare Worte!
Am Freitag beginnen die Winterspiele 2014 in Sotchi und über den olympischen Ringe stehen dunkle Wolken. Die CSD- und Pride-Veranstalter_innen in Deutschland nehmen dies zum Anlass, um Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Organisationskommitee des Sportspektakels, das IOC, und seinen nationalen Arm, den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), kurz vorher noch einmal zum Handeln aufzufordern und weltweit für die Menschenrechte von lesbisch-schwul-bis-trans-inter Personen einzutreten. Denn nicht nur in Russland werden „vehement Menschenrechte missachtet und verletzt“.
IOC und DOSB sollen in Sotschi „klare Worte im Sinne des Olympischen Gedankens“ finden, die Bundeskanzlerin darüber hinaus darauf hinwirken, „dass den bedrohten Menschen sowie den Aktivisten und Aktivistinnen, die sich für die Rechte von lesbisch-schwul-bi-trans-inter Personen einsetzen, in Deutschland unbürokratisch ein politisches Asyl gewährt wird“. Beide Briefe sind politisch prägnant und ein beeindruckend gemeinsames Statement der CSD- und Pride-Organisationen. So viel Gemeinsamkeit würde ich mir öfter wünschen. Mitunterzeichnet haben verschiedene etwas prominentere Persönlichkeiten aus Kultur und Politik wie die Jennifer Rostock Band, Frl. Menke, Gustav Peter-Wöhler, Olivia Jones und der Münchener Oberbürgermeister Christian Ude. Schade nur, dass es offensichtlich keine Möglichkeit gibt, die Briefe darüber hinaus zu unterstützen, beispielsweise via Online-Unterschrift. Den Brief an IOC und DOSB veröffentlichen wir im Wortlaut.
OFFENER BRIEF
an das INTERNATIONAL OLYMPIC COMMITTEE
und den DEUTSCHEN OLYMPISCHEN SPORTBUND
Sehr geehrte Herren Bach und Hörmann,
die olympische Charta in der Fassung vom 9. September 2013 enthält die grundlegenden Prinzipien des Olympismus, nach denen die Ausübung von Sport – frei von Diskrimi-nierungen – zu den Menschenrechten zählt. Jede Form von Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen, so heißt es, ist mit der Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung nicht vereinbar. Aufgabe und Rolle des IOC und des DOSB ist es nach Ihrer Charta, gegen jede Form der Diskriminierung vorzugehen, die die Olympische Bewegung beeinträchtigt.
In diesem Sinne fordern wir Sie und das Internationale Olympische Komitee sowie den Deutschen Olympischen Sportbund, denen Sie beide vorsitzen, auf, auch die anstehenden Olympischen Winterspiele in Sotschi nach diesen Richtlinien zu bewerten und durchzuführen.
Das durch das russische Parlament im Juni 2013 beschlossene Gesetz gegen „Propaganda nicht traditioneller sexueller Beziehungen“ macht eine objektive Berichterstattung und Aufklärung über sexuelle Minderheiten unmöglich. Lesbisches und schwules Leben kann nicht öffentlich stattfinden, auch die Präventionsarbeit zu HIV und Aids kommt zum Erliegen – mit unter Umständen erheblichen gesundheitlichen Folgen. Auf der Grundlage dieses Gesetzes geht die russische Polizei systematisch gegen Mitglieder der lesbisch-schwul-bi-trans-inter-Gemeinschaft und insbesondere gegen politisch aktive Nichtregierungsorganisationen vor, die die Rechte und Lebensbedingungen von lesbisch-schwul-bi-trans-inter-Personen verbessern und stärken wollen.
Das Gesetz gibt rechtsradikalen Gruppen in Russland Auftrieb und schürt den Hass gegenüber allen sexuellen Minderheiten und der Vielfalt von Geschlecht in der gesamten Bevölkerung. Dieser Hass ist bereits mehrfach in gewalttätige Übergriffe übergegangen – auch seitens der Polizei. Es ist ein Hass, der nicht an den russischen Ländergrenzen haltmacht, sondern sich bereits jetzt auf andere Länder, insbesondere die Nachbarstaaten Russlands, ausweitet.
Wir fordern Sie daher mit Nachdruck auf, vor und während der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi klare Worte im Sinne des Olympischen Gedankens zu finden und darauf hinzuwirken, dass lesbisch-schwul-bi-trans-inter-Menschen öffentlich zu ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität stehen können.
Die Diskriminierung von lesbisch-schwul-bi-trans-inter-Personen in Russland ist aber kein Einzelfall. Deshalb fordern wir Sie auch auf, weltweit gegen Diskriminierung von dieser Bevölkerungsgruppe und für Menschenrechte einzutreten. Machen Sie deutlich, dass eine Partnerschaft mit dem IOC UND dem DOSB kompromisslos mit dem Einsatz und dem Sicherstellen von Menschenrechten einhergeht. Sehen Sie nicht tatenlos zu.
Handeln Sie jetzt!
gez. CSD – Christopher Street Day Deutschland e. V. und die CSD- und PRIDE-Organisationen sowie CSD-Träger_innen von:
Albstadt, Berlin, Bielefeld, Braunschweig, Darmstadt, Dresden, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Gießen, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Kassel, Kiel, Koblenz, Konstanz, Köln, Ludwigshafen, Lübeck, Magdeburg, Mannheim, Märkischer Kreis/Iserlohn, München, Münster, Neumünster, Oldenburg, Pirna, Rostock, Saarbrücken, Schwerin, Stuttgart, Ulm, Weimar, Wiesbaden, Wuppertal
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