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Gay Pride in Weißrussland scheitert fast unter Druck der Regierung
Niemand schwenkt Regenbogenflaggen. Auf den Straßen sind keine Zeichen einer Demonstration sichtbar. Von einer Pride, wie man sie erwarten würde, ist man in Weißrussland weit entfernt. Die Minsk Pride 2013, die vom 6. bis 10. Dezember stattfindet, scheitert beinahe am Druck der Regierung. Doch ein harter Kern lässt sich nicht entmutigen.
LGBTs sind nirgends willkommen
Im Kampf um die Rechte der LGBT weltweit folgt ein Rückschlag nach dem nächsten. In Indien ist Homosexualität wieder strafbar. Australien kippt die Homo-Ehe. In Weißrussland ist man ebenfalls keinen Schritt vorwärts gegangen. Der Versuch, eine Demonstration anzumelden, scheitert auch in diesem Jahr.
Wir müssen andere Wege finden, um in diesem Land für die LGBT-Rechte zu kämpfen,
sagt Katerina Borsuk, Vorsitzende des Pride-Organisationsteams in Minsk. Die 25-jährige steckt ihre Energie seit dem Sommer ausschließlich in die Vorbereitungen der Pride. Statt illegal durch die Straßen zu ziehen, setzt sie sich für Workshops, Diskussionen und Vorträge ein.
Auf der Suche nach Veranstaltungsräumen stößt das Team jedoch auf permanente Ablehnung. Sobald die potentiellen Gastgeber erfahren, dass es sich um ein LGBT-Event handelt, lehnen sie eine Kooperation ab. „Niemand will mit uns in Verbindung gebracht werden“, sagt Katerina. Obwohl Homosexualität in Weißrussland seit 1994 nicht mehr unter Strafe steht, ist die homophobe Stimmung sehr hoch. Selbst innerhalb der Szene wenden sich viele gegen die, die ihre Rechte verbessern wollen.
Sie verstecken sich lieber und sagen, wir sollen aufhören, dann gäbe es auch keine Probleme.
Sogar der letzte – inoffizielle – Gayclub in Minsk will der Pride keinen Raum bieten.
Der Druck steigt
Zwar bekommt die Pride internationale Unterstützung aus Polen, England oder Schweden. Doch die Hilfe verpufft, wenn es keinen Ort gibt, an dem Videobotschaften verbreitet oder Trainings durchgeführt werden können. Um die angesetzte Pressekonferenz ausrichten zu können, musste dem Veranstaltungsort als letzte Konsequenz das Thema verschwiegen werden. Katerina sagt:
Bereits das ist illegal. Wenn uns jemand entdeckt und die Polizei ruft, hätte sie nun einen Grund, uns zu verhaften.
Die Konferenz läuft zwar ohne Probleme ab, doch immer wieder wird der Ablauf der Pride gestört.
Aufgrund angeblichen Stromausfalls muss das Pride-Eröffnungskonzert kurzfristig abgesagt werden. Eine Konferenz zum Thema „LGBT Menschenrechte und Queerstudies in osteuropäischen Ländern“ am darauffolgenden Tag wird ebenfalls spontan verhindert. Der angebliche Rohrbruch im gebuchten Restaurant stellt sich später als Ausrede heraus der Restaurantbetrieb verlief am gleichen Abend wie gewohnt.
Am darauffolgenden Tag wird die Aufführung des „Belarus Free Theater“ durch einen Polizisten entdeckt und gestoppt. Pässe werden überprüft, eine Person muss sich einem Gespräch unterziehen. Wie die Polizei von dem Event erfahren hat, wissen die Pride-Organisatoren nicht. „Entweder hat uns jemand verraten oder unsere Handys wurden abgehört“, so Katerina. Illegal war die Veranstaltung nicht, aber durch die Razzia wird Druck auf die Teilnehmer ausgeübt und Angst verbreitet.
Der wichtigste Tag im „Pride House“ verläuft dagegen ohne Zwischenfälle. In dem kleinen Raum versammeln sich nicht mehr als 30 Personen, um an verschiedenen Workshops, Vorträgen und Präsentationen teilzunehmen. In vertrauensvoller Atmosphäre diskutieren sie über gesellschaftliche Stereotype, der Unsichtbarkeit von Lesben in der LGBT-Szene oder dem Zukunftsszenario von queeren Arbeitern. Doch die so aufwendig organisierte Pride bleibt in dem kleinen Kreis der bereits bestehenden Community gefangen. Maksim Haikou, Mitglied des Organisationsteams, zieht die traurige Bilanz:
Alle öffentlichen Events wurden gestoppt. So wurde genau das verhindert, was wir wollten. Wir konnten keinen Kontakt zu Menschen außerhalb der Community aufbauen.
Die Situation eskaliert
Die permanente Zurückweisung vor und während der Pride ist vernichtend. Die Verzweiflung, nicht gehört zu werden, veranlasst einen Teil des Organisationsteams schließlich zu einer illegalen Aktion. An einer Brücke in Minsk wird eine Regenbogenflagge befestigt. Ein mutiges Zeichen? „Eine sinnlose Provokation“, findet Katerina. „Ich war dagegen. Das nützt niemandem etwas. Für mich bedeutet diese Aktion das Ende der Kooperation.“ Ihre Wut ist nicht unberechtigt, denn eine Strafe könnte auch auf sie zurückfallen. Für die staatlichen Medien wäre das eine Schlagzeile, die das Bild der „verrückten Homosexuellen, die immer eingesperrt werden“ weiter festigt.
Hoffnung für Weißrussland?
Insgesamt, resümiert Katerina, seien die Ziele der Pride trotzdem zu einem großen Teil realisiert worden. „Wir waren in unabhängigen weißrussischen Medien sichtbar“, sagt sie. „Auch im Ausland hat man uns wahrgenommen. Uns erreichten Videobotschaften aus New York oder Brüssel. Außerdem hatten wir Gäste aus den Niederlanden, Schweden, Deutschland und Bulgarien.“
Rechtzeitig zur Pride wurde zudem eine Publikation fertiggestellt und präsentiert, die sich mit der Diskriminierung der LGBT-Community in Belarus beschäftigt. „Mit dieser Studie haben wir handfeste Beweise dafür, dass die Gewalt gegen Homosexuelle in Belarus steigt“, sagt Natallia Mankouskaya, Direktorin des Projekts GayBelarus.
Das Buch wird in Zukunft Grundlage sein, um Aktivitäten zu planen, die die LGBT-Rechte stärken sollen.
Die diesjährige Pride zeigt, wie schwierig es ist, sich für diese Rechte einzusetzen. In Weißrussland gebe es zwar kein Gesetz wie in Russland, aber wer sich generell nicht regierungsgetreu verhält, handelt illegal oder läuft Gefahr, in Konflikt mit der Polizei zu geraten. Katerina sagt:
Die gesamte Aufmerksamkeit liegt auf Russland, aber hier ist es nicht besser. Für Russland zu kämpfen, ist auch wichtig, aber sie vergessen uns.
Text und Fotos: © Maria Preußmann. Erläuterung Fotos in der Reihenfolge von oben
- Titelbild: Katherina Borsuk. Immer am Telefon und immer dabei, die Pride zu retten.
- Die Stimmung ist ernst: Pride-Organisatoren Katharina Borsuk und Maksim Haikou während der Pressekonferenz.
- Offizielle Eröffnung der Pride in einem Restaurant.
- Im „Pride-House“ wird Wissen und Motivation ausgetauscht, doch die Community bleibt unter sich.
- Aufkleber mit dem Logo der Minsk Pride 2014.
- Die Publikation „Eine Chronik zur Diskriminierung und Belästigung von LGBTs in Belarus zwischen 2008 bis 2013“ kann helfen, die Rechte der LGBT in Weißrussland zu stärken. Bisher ist sie nur auf weißrussisches erschienen, soll aber noch auf Englisch übersetzt werden.
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