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phenomenelle des Tages: Anna Politkowskaja

Anna Politkowskaja (30.8.1958–7.10.2006)

Anna Politkovskaja im Gespräch mit Christhard LäppleBis heute ist die Journalistin und Buchautorin im Westen die vielleicht bekannteste Kritikerin der russischen Politik unter Wladimir Putin. In ihrem Heimatland war sie – nicht zuletzt wegen eines Publikationsverbots für ihre Bücher – weniger bekannt. Der Mord an der in New York geborenen Menschenrechtsaktivistin durch Pistolenschüsse im Flur vor ihrer Wohnung ging 2006 um die Welt.

Politkowskaja studiert an der Lomonossow-Universität in Moskau Journalismus und arbeitet anschließend für die Iswestja und andere Zeitungen. Ab 1999 schreibt sie für eine der letzten regimekritischen Zeitungen in Russland die Nowaja Gaseta. Zeitgleich beginnt der Tschetschenien-Krieg. Sie bereist das Land und kommt ein ums andere Mal mit erschreckenden Reportagen über die grausame Wirklichkeit des Krieges zurück. Sie erzählt die Geschichten der vergessenen tschetschenischen Frauen ebenso wie die der Mütter russischer Soldaten. 2003 erscheint ihr Buch Tschetschenien – Die Wahrheit über den Krieg.

Ein Krieg lässt sich sehr leicht beginnen, unvergleichlich schwerer ist es, danach all der Ungeheuer Herr zu werden, die er hervorgebracht hat.
(Anna Politkowskaja, Quelle anstageslicht.de)

Aufgelistet als Feindin des russischen Volkes

Während sie im westlichen Ausland mit Preisen überhäuft wird, verschärft sich die Lage in Russland. Morddrohungen und Schikanen der Offiziellen gehören zu ihrem Alltag. Im Internet erscheint eine Liste der „Feinde des russischen Volkes“. Politkowskajas Name steht neben denen anderer Regimekritiker_innen. Sie ist sich der Gefahr für ihr Leben bewusst. Freund_innen haben Angst um sie und warnen sie mehrfach. 2000 und 2003 wurden bereits 2 Kollegen von der Nowaja Gaseta ermordet. Politkowskaja sagt öffentlich, der Mörder sei im Kreml zu suchen, sollte sie selbst getötet werden.

Wie so viele andere Menschrechts- und Journalisten-Morde ist auch der an Politkowskaja bis heute nicht wirklich aufgeklärt. 2009 wurden 2 Tatverdächtige freigesprochen. Seit Mai diesen Jahres wird erneut gegen sie und 3 weitere verhandelt. Im Dunkel bleiben die Hintermänner und die tatsächlichen Hintergründe der Tat. Klar ist nur, dass eine der schärfsten kritischen Stimmen gegen Putin 2006 zum Schweigen gebracht wurde. Bleibt nur zu hoffen, ihre eigene Prophezeihung „Wenn ich nicht mehr schreibe, haben meine Feinde gewonnen“, möge auf Dauer doch unerfüllt bleibt. Sie sah Russland durch Putin im dramatischen Wertewandel:

Wir leben nun in einer Ära, in der Werte verschoben worden sind. Das Gute wird schlecht genannt und das Schlechte – gut. Ich glaube nicht länger, dass wir in der gleichen Weise Redefreiheit haben wie in den Jahren unter Jelzin.
(Anna Politkowskaja Raw in War Interview)

Foto: By Blaues Sofa [CC-BY-2.0], via Wikimedia Commons

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