phenomenelle

informelle

LITFEST homochrom

phenomenelle des Tages: Chantal Akerman

Chantal Akerman (6.6.1950–5.10.2015)

Screenshot aus A Conversation with Chantal Akermann // Venice 2011Den einen gilt sie als die wichtigste europäische Filmemacher_in ihrer Generation; Kollegin_innen wie Sally Potter oder Todd Haynes nennen sie als prägenden Einfluss. Während viele andere ihre Filme wohl nie verstanden haben, sagt der Direktor des Könglich-belgischen Film Archivs, Nicola Mazzanti. Und die meisten sie wohl gar nicht kannten. In der Tat lassen sich Chantal Akerman und ihr Werk schwer einordnen, vor allem wollte sie in keine Schublade gesteckt werden. Unerwartet starb die Film-Pionierin am Montag, dem 5. Oktober 2015, in Paris.

Radikal brach Akerman in ihren Frühwerken mit den Traditionen des konventionellen Kinos, um in ihren späteren Filmen dessen Erzählqualitäten wieder zu entdecken und neu zu fassen. Dem schönen Schein der Zelluloid-Bilder, dem Gefälligen oder gar Falschen widersetzte sie sich konsequent. Als Hauptthemen ziehen sich Angst und Entfremdung durch ihr Schaffen und untergründig immer wieder auch das Trauma und das Schweigen der Holocaust-Überlebenden, zu denen ihre polnischen Eltern gehörten.

In ihrem letzten Film No Home Movie, der im August 2015 seine Weltpremiere beim Filmfestival in Locarno feierte, führt die Regisseurin lange Gespräche mit ihrer Mutter, einer Auschwitz-Überlebenden. Mit der Dokumentation setzt sie der Beziehung zur Mutter ein fulminantes Denkmal, in dem sie sich unter anderem privater Stilmittel wie Videotelefonie bedient. Wenige Wochen nach dem Ende der Dreharbeiten verstarb ihre Mutter. Dass sie im Zentrum von Akermans Werk stand, erfahren die Zuschauer_innen in der etwa zeitgleich entstandenen Dokumentation über die Regie-Ikone I Don’t Belong Anywhere: The Cinema of Chantal Akerman.

[youtube]https://youtu.be/XTa2V17cAGk[/youtube]

Schon als Teenager vom Film begeistert

Bereits mit 15 beschließt Akerman Filme zu machen, nachdem sie Godards Pierot le fou gesehen hat. Nach kaum 3 Monaten verlässt sie 18-jährig die Filmschule wieder, weil sie Filme machen und nichts über Chemie und Physik lernen will. Sie beginnt ihre ersten eigenen Filme zu drehen. Mehr als 40 Kurz- und Langfilme realisiert sie während ihrer über 40 Jahre dauernden Karriere, darunter dokumentarische und fiktionale Werke. In den 90er Jahren experimentiert sie mit Video-Installationen, stellt in Gallerien und Museen sowie 2002 auf der Dokumenta in Kassel aus.

Ihre Filme konzentrieren sich ganz auf die Charaktere, verweigern meist einen echten Handlungsstrang und eine Geschichte – Akermans Weg, Klischees zu vermeiden. Den 1975 entstandenen Film Jeanne Dielman, 23 Quai du Commerce, 1080 Bruxelles feiert die New York Times als „das erste Meisterwerk des Weiblichen in der Geschichte des Kinos“. Dennoch weigerte die Regisseurin, sich in die feministische Ecke stellen zu lassen:

Zufällig bin ich eine Frau und mir bestimmter Probleme bewusst, aber das ist nicht mein Hauptanliegen beim Filme machen … Ich mache keine Frauenfilme. Ich mache Chantal Akerman Filme.
(Quelle: film.list.co.uk: 5-things-you-might-not-know-about-chantal-akerman)

Und obwohl sie offen lesbisch lebte und das Thema auch in ihren Filmen aufgriff, untersagte sie dem lesbischen und schwulen Film-Festival in New York einen ihrer Filme zu zeigen. Sie begründete es damit, dass diese Art Seperatismus ghettoisierend und negativ sei.

Foto: Screenshot aus A Conversation With CHANTAL AKERMAN // Venice 2011 von celluloidTV

Text aktualisiert: 7. Oktober 2015

Weitere Quellen und Links

Related Posts

Anzeige


Anzeige LITfest homochrom 06.–08.08.2021

visuelle

  • Fernsehinfos vom 14. bis zum 27. Dezember 2024
  • Fernsehinfos vom 30. November bis zum 13. Dezember 2024
  • Fernsehinfos vom 12. bis 29. November 2024
  • Radiotipp: Die Linguistin Luise F. Pusch im Gespräch
  • Buchtipp: Daniela Schenk: Mein Herz ist wie das Meer
  • Buchtipp: Elke Weigel – „Wind der Freiheit“
  • Buchtipp: „Riss in der Zeit“ von Ahima Beerlage
  • Filmtipp zum 75. Geburtstag von Ilse Kokula
  • Ilka Bessin: Abgeschminkt – Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede
  • Interview und Verlosung zu 25 Jahre „Krug & Schadenberg“
  • Der Schottische Bankier von Surabaya: Ein Ava-Lee-Roman
  • CD-Review: LAING sind zurück mit neuem Album
  • Interview: „Diversity muss von der Führung kommen“
  • 5 Serien für Fans starker TV-Charaktere …
  • „Danke Gott, dass ich homo bin!“ – Filmreview von „Silvana“
  • Buchrezi: „Lesbisch. Eine Liebe mit Geschichte“
  • Rückblick auf die NorthLichter
  • DVD-Rezi: „Call My Agent“ – Staffel 2
  • Berlin: Etwas andere Pride Parade am 23. Juni 2018 …
  • Buchrezi: Carolin Hagebölling „Ein anderer Morgen“
  • Ausstellungseröffnung „Lesbisches Sehen“ im Schwulen Museum Berlin
  • „The Einstein of Sex“ – Stück über Magnus Hirschfeld
  • „Here come the aliens“ – Das neue Album von Kim Wilde
  • Album-Review: Lisa Stansfield „Deeper“