informelle
phenomenelle des Tages: Jill Johnston
Solange nicht alle Frauen Lesben sind,
wird es keine wahrhaftige politische Revolution geben.
Jill Johnston (17.5.1929–18.9.2010)
Ihre Karriere als Autorin beginnt mit Tanzkritiken, die sie ab 1959 regelmäßig für The Village Voice schreibt, eine Wochenzeitung in New York. In den 60er und 70er Jahren etabliert sie sich als eine der bekanntesten lesbisch-feministischen Aktivistinnen. Wobei sie häufig sowohl Kontroversen in der feministischen als auch der schwulen und lesbischen Bewegung auslöst. 1973 erscheint ihr bekanntestes Werk Lesbian Nation, eine Sammlung feministisch lesbischer Essays.
Geboren wird Johnston in London als Tochter einer amerikanischen Krankenschwester und eines britischen Uhrmachers. Sie ist noch ein Baby als ihre Mutter mit ihr zurück in die Staaten zieht. Erst mit 21 Jahren erfährt sie aus einem Nachruf über ihren Vater, dass sie ein uneheliches Kind ist. Johnston selbst heiratet Ende der 50er, trennt sich aber nach 6 gemeinsamen Jahren und 2 Kindern von ihrem Ehemann.
Von der Tanzkritikerin zur Aktivistin
Während sie ihre Tanzkritiken schreibt, lernt Johnston in New Yorker die avantgardistischen Künstler_innen und Musiker_innen der Stadt kennen. Als sich Anfang der 60er Jahre die postmoderne Tanzbewegung formiert, kennt sie die entscheidenden Choreograph_innen. Deren Angriffe auf die Tanz-Tradition unterstützt sie mit positiven Artikeln. Mehr und mehr schreibt sie in den Kolumnen auch über sich selbst und ihre Abenteuer in der New York Kunstszene. Dabei probiert sie neue, gewagte Formen von Sprache und Text aus. Ein Kritiker beschreibt ihren Stil einmal als eine Mischung aus Gertrude Stein, E. E. Cummings und Jack Kerouac.
Johnston gilt als die Begründerin der US-amerikanischen politischen Lesbenbewegung. Wohl auch aufgrund der Vorurteile, die sie als Lesbe in den Anfängen der Frauenbewegung erfahren muss, kommt sie zu dem Schluss
Alle Frauen sind Lesben außer denen,
die es jetzt noch nicht wissen.
Als Feministin mit dem Feind im Bett?
Eine heftige Debatte darum, ob es möglich ist, gleichzeitig Feminstin zu sein und mit dem „Feind ins Bett zu steigen“, entbrennt. Mit dem Klassiker Lesbian Nation: The Feminist Solution schreibt Johnston den Schlüsseltext einer eigenständigen lesbisch-feministischen Bewegung. Die soll sich sowohl von einer gemeinsamen Lesben-/Schwulen- als auch der Frauenbewegung emanzipieren. Wenn nötig macht Johnston ihren Standpunkt auch mit krassen Aktionen deutlich. 1971 sprengt sie eine Podiumsdiskussion mit Norman Mailer und Germaine Greer, indem sie mit einem Frauenpaar aus dem Publikum auf der Bühne knutscht. Die geplante Provokation schockiert anwesende intellektuelle Schwergewichte wie Susan Sonntag.
1993 und 2009 heiratet Johnston noch einmal, ihre langjährige Lebengefährtin Ingrid Nyeboe – zuerst in Dänemark und ein zweites mal in Conneticut, wo das Paar bis zu ihrem Tod lebt.
Foto: Buchcover Lesbian Nation, @jilljohnston.com
Weitere Quellen und Links
Danke wieder einmal für diese „Phenomenelle des Tages“. Wie schön, dass auf diese Weise eine lesbische Tradition sichtbar wird.
Herzlichen Gruß, Andrea