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phenomenelle des Tages: Madame d’Ora
Madame d’Ora (20.3.1881–30.10.1963)
Der Künstlername, den sich die Fotografin Dora Kallmus gibt, liest sich so klangvoll wie die Liste prominenter Damen und Herren, die sie auf Zelluloid bannt. Ob Josephine Baker, Marlene Dietrich oder Coco Chanel, Marc Chagall, Yehudi Menuhin oder Gustav Klimt, sie bekommt sie alle vor die Linse. Auch der ungarische König und seine Familie bestellen bei ihr 1916 eine Portraitserie.
Die Tochter eines östereichisch-jüdischen Juristen, geboren in Wien, beschreitet für eine Frau ihrer Zeit neue Wege. Um als Fotografin ausgebildet zu werden, nimmt sie als erste Frau überhaupt an Theoriekursen einer Wiener Graphikschule teil, zur Praxis wird sie nicht zugelassen. Ab und an besucht sie das Atelier eines Gesellschaftsfotografen und guckt sich bei ihm einiges ab. 1906 nimmt sie in Berlin Unterricht bei Nicola Perscheid, freundet sich mit dessen Assistenten Arthur Benda an und eröffnet mit ihm 1 Jahr später das Atelier d’Ora im feinen ersten Bezirk von Wien.
Schnell machen sich die beiden und vor allem Kallmus, die sich nun Madame d’Ora nennt, einen Namen unter Künstlern und Intellektuellen. Einige Jahre später kann Kallmus nach Paris expandieren. 1927 überlässt sie das Wiener Atelier ihrem Kompagnon, die beiden verstehen sich nicht mehr, und zieht ganz in die französische Hauptstadt. Der Umzug steigert ihren Ruhm, sie arbeitet zunehmend auch als Modefotografin für Zeitschriften sowie die großen Modehäuser Lanvin oder Chanel.
1940 marschieren die Deutschen in Paris ein, d’Ora muss als Jüdin von Heute auf Morgen ihr Atelier aufgeben und flieht in das unbesetzte Frankreich. Dort versteckt sie sich während des Krieges in einem Kloster und auf einem Bauernhof. So entgeht sie, anders als ihre Schwester und viele Familienangehörige, der Deportation und anschließenden Ermordung. Nach Ende des Krieges fotografiert sie zunächst anstelle von glamourösen Stars das Elend in Flüchtlingslagern und im zerstörten Wien. Später porträtiert sie wieder berühmte Menschen, widmet aber eine Serie auch getöten Tieren auf einem Schlachthof. 1959 verliert Kallmus nach einem Autounfall ihr Gedächtnis und lebt bis zu ihrem Tod bei einer Freundin.
Foto: Buchcover D’Ora – Vienna and Paris 1907-1957: The Photography of Dora Kallmus von Monika Faber
Weiterführende Quellen und Links