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phenomenelle des Tages: Victoria Woodhull
Während andere die Gleichheit von Frauen und Männern behaupteten, stellte ich sie durch erfolgreiches geschäftliches Engagement unter Beweis; während andere zu zeigen versuchten, dass es keine gültigen Gründe gäbe, Frauen Männern gegenüber als sozial und politisch minderwertiger zu behandeln, betrat ich verwegen die Arena […]
(Quelle: taz Archiv)
Victoria Woodhull (23.9.1838–9.6.1927)
Als erste Frau, die sich 1872 um die amerikanische Präsidentschaft bewirbt, geht sie in die Geschichtsbücher ein. Sie kandidiert zu einer Zeit, in der sie und ihre Mitbürgerinnen nicht einmal wählen dürfen. Berühmt ist sie, die anders als viele Mitstreiterinnen aus einfachen Verhältnissen kommt, weil sie sich für Frauenrechte, sexuelle Selbstbestimmung und freie Liebe einsetzt. In den USA wird gern vergessen oder verdrängt, dass sie gleichzeitig Finanzbrokerin und Kommunistin ist.
Eigentlich könnte Woodhull Poster-Child für den amerikanischen Traum sein: Vom Kind armer Eltern zur Millionärin. Ihre Eltern schlagen sich als Wunderheiler, mit Diebstählen und anderen mehr oder weniger legalen Tätigkeiten durchs Leben. Woodhull preisen sie schon im Kindheitsalter als Wunderpredigerin. Bildung genießt sie kaum, obwohl ihre wenigen Lehrer ihr hohe Intelligenz bescheinigen. Das Mädchen entflieht dem Leben durch eine frühe Heirat mit einem Arzt. Doch der Ehemann ist Alkoholiker. Nach der Geburt zweier Kinder trennt sie sich von ihm.
Karriere an der Wall Street
Zeitweise arbeitet sie als Schauspielerin, um die Familie zu ernähren. Ab 1868 macht sie mit ihrer Schwester in New York Karriere als Maklerin. Der Selfmade-Millionär Cornelius Vanderbilt unterstützt beide darin, weil er an Woodhull glaubt. Mit vermeintlich hellseherischen Fähigkeiten sagt sie ihm Börsenkurse voraus. Wahrscheinlicher ist, dass sie durch ihre guten Netzwerke – auch in die Halbwelt – geschäftliche Informationen sammelt, die anderen nicht zugänglich sind. Und tatsächlich, die Schwestern machen ein Vermögen als Finanzbrokerinnen. Mit dem Geld geben sie ab 1870 eine Wochenzeitschrift heraus. Woodhull hält Vorträge zu Themen wie Gleichberechtigung, Abtreibung und Freie Liebe. Wobei freie Liebe für sie kein Widerspruch zu Monogamie innerhalb einer Beziehung darstellt. Sie plädiert dafür, dass auch Frauen das natürliche Recht haben, zu lieben wenn sie lieben, zu entscheiden, ob sie die Person lang oder kurz lieben und diese Liebe täglich wechseln zu dürfen.
Frauenbewegt und kommunistisch
Als erste Verlegerin veröffentlicht Woodhull in ihrem Magazin das Kommunistische Manifest von Marx und Engels. Anders als ihre bürgerlichen Mitstreiterinnen ist für sie ganz klar: Der Kampf um Frauenrechte geht nur gemeinsam mit einem Kampf um soziale Fragen. Das Frauenwahlrecht, der Hauptpunkt der Bürgerlichen, spielt für sie eine untergeordnete Rolle. Denn in der Unterschicht gehen auch die Männer nicht wählen. Und die amerikanische Verfassung gilt ihr als Beweis, Frauen stünde das verfassungsmäßige Recht zu wählen sowieso zu. Bislang hätten sie es nur nicht ausgeübt. Diese Ansicht darf sie als erste Frau überhaupt auch vor dem Kongress vertreten. Die begnadete Rednerin zeigt auf: Ursprünglich spricht die Verfassung von „Citzens“, ein geschlechtsneutraler Begriff. Durchsetzen kann sie sich damit nicht.
Die erste weibliche US-Präsidentschaftskandidatin
Woodhull will mehr. Mit anderen gründet sie die Equal Rights Party und kandidiert 1872 für das höchste Amt im Staat. Die vormals Bewunderte und Populäre scheint damit einen Schritt zu weit zu gehen. Presse und Publikum schwenken um. Zu ungeheuerlich scheint ihr Ansinnen. Ihr Privatleben und das ihrer Familie wird durchleuchtet. Dazu macht sie einen vielleicht entscheidenden Fehler. Sie legt sich mit der ebenfalls ungeheuer beliebten und populären Familie der Onkel-Toms-Hütte-Schriftstellerin Harriet Beecher-Stowe an. Doch die sitzen am längeren Hebel und als Woodhull verhaftet wird, finden auch ihre politischen Ambitionen ein Ende. Privat gelingen ihr weitere finanziell vorteilhafte Coops. Später siedelt sie mit ihrer Schwester nach England um, heiratet noch einmal, macht den Führerschein und gründet den ersten englischen Autoclub für Frauen.
Foto: By unbekannter Fotograf.Thyra at de.wikipedia [Public domain], from Wikimedia Commons
Weitere Quellen und Links
- www.victoria-woodhull.com
- taz Archiv: Victoria for President
- Vortrag von Antje Schrupp über Woodhull
- vicwoodhull.wordpress.com
- www.victoriawoodhull.de