phenomenelle

informelle

LITFEST homochrom

phenomenelle des Tages: Die Frauen

[youtube]http://youtu.be/FAcw8SDF7Mc[/youtube]

Internationaler Frauentag (8.3. jedes Jahr)

Die Idee zu einem speziellen Tag für Frauen kommt aus den USA. Das Land, in dem heute der Internationale Frauentag nicht gefeiert werden darf, denn er steht unter Sozialismusverdacht. Dafür steht jährlich der ganze März unter weiblichen Vorzeichen als Women’s History Month. Aber blicken wir zurück: Im Februar 1909 ruft das Nationale Frauenkomitee erstmals zu einem Kampftag in den USA auf. Gemeinsam demonstrieren Sozialistinnen und bürgerliche Frauenrechtlerinnen für das Wahlrecht.

Die Amerikanerinnen bringen die Idee mit zur Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen. Die deutschen Sozialistinnen Clara Zetkin und Käte Duncker greifen die Idee auf, setzen sich für einen gemeinsamen Beschluss der Konferenz dazu ein. Das dringendste Problem ist in dieser Zeit das fehlende freie, geheime und gleiche Wahlrecht für Frauen. Am 19. März 1911 ist es dann soweit: Deutsche, Däninnen und Schweizerinnen feiern den ersten internationalen Frauentag gemeinsam mit den Frauen, die unter der K.u.K.-Monarchie in Österreich-Ungarn leben. In Deutschland ist die SPD die einzige Partei, die die Forderungen der Frauen unterstützt. Als Hintergedanke spielt dabei die Hoffnung auf mehr Wähler_innen eine wesentliche Rolle. Und tatsächlich treten Frauen zu Tausenden in die Partei ein.

Kampftag für Frauenwahlrecht und gegen Krieg

Der Erfolg des ersten Tages setzt sich in den kommenden Jahren fort. Noch ohne festes Datum findet er an verschiedenen Tagen im Mai statt. Während des I. Weltkrieges verschiebt sich das Thema vom Frauenwahlrecht zur Antikriegs-Demonstration. Damit rutscht er im kriegswütigen Deutschland in die Illegalität. Als sich 1917 die SPD spaltet, bereiten nurmehr die linken Frauen der USPD den Frauentag 1918 vor, 6 Monate später scheint er sich endgültig erledigt zu haben: Die Nachkriegsregierung führt das aktive und passive Wahlrecht für Frauen ein.

Legenden bilden sich um den 8. März

Sozialistische und kommunistische Frauen wollen weiter demonstrieren. 1921 wird auf einer internationalen kommunistischen Frauenkonferenz der 8. März als festes Datum beschlossen. An diesem Tag lösten nämlich 1917 streikende Arbeiter-, Bauern- und Soldatenfrauen in Sankt Petersburg die russische Februarrevolution aus, die das Ende der Zarenherrschaft einläutet. In den 50er/60er Jahre als der Kalte Krieg zwischen dem Westen und den Ländern des Warschauer Pakts am eisigsten geführt wird, soll diese Verbindung ausgelöscht werden. Angeblich ginge der 8. März auf einen Streik von New Yorker Textilarbeiterinnen zurück. Historikerinnen haben inzwischen bewiesen, diese Darstellung ist nicht mehr als eine schöne Legende.

Lange braucht es nach dem I. Weltkrieg, bis in der Weimarer Republik der erste Frauentag stattfinden kann. Ab 1926 gibt es gleich zwei, einen kommunistischen am 8. März und einen sozialdemokratischen, der im Datum wandert. Die Nazis verbieten den Frauentag, propagieren ganz ihrer Ideologie entsprechend den Muttertag als offiziellen Feiertag. Die Widerstandskämpferinnen feiern „ihren“ Tag trotzdem im Verborgenen, indem sie zum Beispiel rote Gegenstände aus dem Fenster hängen.

Hervorgeholt aus der Mottenkiste

Nach dem II. Weltkrieg wird der Frauentag in der Sowjetischen Besatzungszone gleich 1946 wieder eingeführt. Er entwickelt sich in der DDR zum festen Bestandteil des Jahres. In der jungen BRD feiern zwar die Sozialdemokraten den Tag, er verliert aber zunehmend an Bedeutung. Erst die 2. Frauenbewegung in den 70er Jahren holt den Tag aus der Mottenkiste, noch kämpfen die Frauen aber gegen heftige Widerstände. 1977 beschließt die UN, den Internationalen Frauentag jährlich am 8. März zu feiern – zwei Jahre nach dem internationalen Jahr der Frau. Seit Mitte der 90er Jahre nimmt die Bedeutung des Tages auch im wiedervereinigten Deutschland zu.

Einmal im Jahr Gleichberechtigung einfordern

Trotz Frauenwahlrecht, Gleichberechtigung laut Grundgesetz und großer Fortschritte in der gesellschaftlichen Akzeptanz bleibt der Internationale Frauentag auch in Deutschland wichtig. Solange Frauen im Schnitt 22 Prozent weniger Gehalt bekommen als Männer. Solange Deutschland zu den Schlusslichter gehört, was Frauen in hochkarätigen Führungspositionen angehört. Solange Familie und Beruf in Deutschland kaum vereinbar sind ohne Karriereeinbußen. Solange wir uns in Deutschland noch ernsthaft für eine Sexismus-Debatte verteidigen müssen. Solange sollten wir selbstbewusst und laut den besonderen Tag für Frauen feiern. Von der Situation in anderen Ländern der Welt ganz zu schweigen. 2015 laut das UN-Motto „Make it happen (Lass es geschehen)“. In Deutschland lautet es erneut „Heute für morgen Zeichen setzen!“

Foto: Plakat der Frauenbewegung zum Frauentag 8. März 1914. Quelle: Scan aus einem alten Buch, Autor unbekannt, 1914 via Wikimedia Commons

Weiterführende Quellen und Links

Related Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige


Anzeige LITfest homochrom 06.–08.08.2021

visuelle

  • Fernsehinfos vom 12. bis 29. November 2024
  • Fernsehinfos vom 5. bis zum 18. Oktober 2024
  • Radiotipp: Die Linguistin Luise F. Pusch im Gespräch
  • Buchtipp: Daniela Schenk: Mein Herz ist wie das Meer
  • Buchtipp: Elke Weigel – „Wind der Freiheit“
  • Buchtipp: „Riss in der Zeit“ von Ahima Beerlage
  • Filmtipp zum 75. Geburtstag von Ilse Kokula
  • Ilka Bessin: Abgeschminkt – Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede
  • Interview und Verlosung zu 25 Jahre „Krug & Schadenberg“
  • Der Schottische Bankier von Surabaya: Ein Ava-Lee-Roman
  • CD-Review: LAING sind zurück mit neuem Album
  • Interview: „Diversity muss von der Führung kommen“
  • 5 Serien für Fans starker TV-Charaktere …
  • „Danke Gott, dass ich homo bin!“ – Filmreview von „Silvana“
  • Buchrezi: „Lesbisch. Eine Liebe mit Geschichte“
  • Rückblick auf die NorthLichter
  • DVD-Rezi: „Call My Agent“ – Staffel 2
  • Berlin: Etwas andere Pride Parade am 23. Juni 2018 …
  • Buchrezi: Carolin Hagebölling „Ein anderer Morgen“
  • Ausstellungseröffnung „Lesbisches Sehen“ im Schwulen Museum Berlin
  • „The Einstein of Sex“ – Stück über Magnus Hirschfeld
  • „Here come the aliens“ – Das neue Album von Kim Wilde
  • Album-Review: Lisa Stansfield „Deeper“
  • Theater X: Deutschlands vergessene Kolonialzeit