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Wenn jemand einmal die Geschichte meines Lebens schreibt, soll sie „Der letzte Bonaparte“ genannt werden, weil ich die letzte bin. Meine Cousins aus der imperialen Linie sind nur Napoleons.
Marie Bonaparte (2.8.1882–21.9.1962)
Die Psychoanalytikerin und Autorin gehört 1926 zu den 12 Gründungsmitgliedern der französischen Psychoanalytischen Gesellschaft. Bekannt wird sie vielen als Patientin und später enge Freundin Freuds. Sie übersetzt seine Werke ins Französische und ermöglicht ihm 1938 die Flucht vor den Nationalsozialisten. Ihre Arbeitsschwerpunkte: die weibliche Sexualität sowie die Triebtheorie. Als eine der ersten erforschte sie die Beschneidung afrikanischer Frauen.
Über ihren Vater ist sie eine Nachfahrin Lucien Bonapartes, des Bruders Napoleons. Von Seiten der Mutter wartet auf die kleine, Mimi genannte, Halbwaise ein hübsches Vermögen. Um Krankheiten und Ansteckungen zu verhindern, wird ihr der Kontakt zu Gleichaltrigen ebenso verboten wie lange Aufenthalte im Freien. Marie verarbeitet das, indem sie Horrorgeschichten erfindet und schreibt. Eine erste Jugendliebe endet tragisch mit Verrat und Erpressung durch den Geliebten. Die Folge: eine Depression. Wieder genesen, heiratet sie 1907 den griechischen Prinzen Georg.
Lebenslang leidet Bonaparte an Frigidität. Über die Gründe dafür und generell die weibliche Sexualität ist sie uneinig mit ihrem Psychoanalytiker und späteren Freund Sigmund Freud. Ab 1925 hilft er ihr, frühkindliche Störungen und Prägungen analytisch aufzuarbeiten. Anders als Freud misst sie aber der weiblichen Klitoris eine hohe Bedeutung für den Lustgewinn bei. Als ihr Mentor Wien nach dem „Anschluss“ Österreichs durch die Nationalsozialisten verlassen muss, macht vor allem ihr Einsatz seinen Gang ins Exil möglich.
Foto: unbekannter Fotograf, by Wikimedia Commons
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