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Augspurg-Heymann-Preis 2014 an Maria Beckermann verliehen
Der Preis für couragierte Lesben geht an Vorkämpferin für Frauengesundheit
Frauengesundheit stand im Mittelpunkt der sechsten Verleihung des Augspurg-Heymann-Preises für couragierte lesbische Frauen am 18. Mai 2014 im Bochumer Jahrhunderthaus. Vor etwa 150 Gästen verlieh die Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in NRW die diesjährige Auszeichnung an die bemerkenswerte Frauenärztin und Sexualtherapeutin Dr. Maria Beckermann aus Köln.
Mit dieser Preisverleihung endeten die Hirschfeld-Tage NRW, die von Moderatorin Ann-Marie Krewer passend umbenannt wurden in „Elberskirchen-Hirschfeld-Wolff-Tage“, da die Medizinerinnen Johanna Elberskirchen und Charlotte Wolff sich Anfang des 20. Jahrhunderts ebenso gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und für Sexualreformen eingesetzt hatten wie Magnus Hirschfeld. Gabriele Bischoff aus dem Vorstand der Arcus-Stiftung zog Bilanz über eine erfolgreiche sechswöchige Veranstaltungsreihe, mit der weit über tausend Menschen erreicht werden konnten.
Offen feministische und lesbische Ärztin
Dr. Beckermann wurde als Ärztin und Beraterin geehrt, die sich offen als Feministin und Lesbe positioniert und „beruflich und mit ihrem gemeinnützigen Verein FrauenLeben e. V. sehr viel für die Widerstandskraft, Energie und körperliche wie psychische Gesundheit von Frauen getan hat.“ So weit wie Dr. Beckermann hat wohl kaum eine andere eine Frauenheilkunde gebracht, die das Erleben und die Bedürfnisse der Frauen (und hier insbesondere der Lesben) in den Mittelpunkt stellt: Dr. Beckermann sorgte bis 2010 als niedergelassene Gynäkologin in Köln dafür, dass ihre Patientinnen weder ausschließlich als Mutter noch als Ehefrau behandelt und nicht unnötig medikalisiert werden, wie es die männlich dominierte Gynäkologie sonst bevorzugt praktiziert. Seitdem gibt sie ihr Wissen um eine frauenzentrierte Beratung und Behandlung weiterbildend an Universitätskliniken im In- und Ausland weiter. Als Vorsitzende des AK Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e.V. und in ihrer freien Mitarbeit u. a. für die Frauenhilfsorganisation medica mondiale oder die Stiftung Warentest trägt sie, so die LAG Lesben
konstruktiv zu Strukturen bei, die Frauen stärken und fördern – u. a. im Rahmen der Erstellung des Frauengesundheitsberichts 2000 und ihrer Expertise zum Themenfeld Kinderwunsch lesbischer Frauen.
Mehr Raum für das Potenzial lesbischer Lebensweisen
Im freundlich hellen Saal des feierlich geschmückten Jahrhunderthauses in Bochum erkannte Staatssekretärin Martina Hoffmann-Badache: „Frauengesundheit ist das Fundament unserer Gesellschaft“ und trug Ministerin Barbara Steffens’ Überzeugung vor, dass wir für das Wohlbefinden aller Frauen im Land „auf kompetente Ärztinnen wie Maria Beckermann angewiesen“ sind. Die Vertreterinnen der Patientinnen- und Ärztinnennetzwerke Dr. Antje Huster-Sinemillioglu (AK Frauengesundheit) und Dr. Helga Seyler (Charlotte e. V., Netzwerk lesbischer Ärztinnen) lobten vor allem Beckermanns wirksam öffentliches Engagement, u a. in dem von ihr herausgegebenen dreibändigen medizinischen Standardwerk zur diskriminierungs- und geschlechterklischeefreien Gynäkologie: Frauen-Heilkunde und Geburts-Hilfe.
In einem Vortrag erinnerte uns Prof. Dr. Gabriele Dennert von der FH Dortmund daran, von welch lebensrettender Bedeutung eine „Entpathologisierung des Lesbischseins“ für alle immer noch überdurchschnittlich suizidgefährdeten frauenliebenden Frauen wäre und wie groß der Bedarf an lesbischen Beratungsstellen wie FrauenLeben e. V. noch ist, um dem Erleben von Diskriminierung und Pathologisierung positive Signale entgegenzusetzen. Maria Beckermann selbst hat, so hieß es später in ihrer Laudatio „stets dem Potenzial lesbischer Lebensweisen mehr Raum eingeräumt als deren Problemen.“
Wanderpreis mit der gesammelten Kraft aller Trägerinnen
Es war die vielleicht emotionalste Verleihung in der Reihe der „Lesbenpreise“. Schon als die Vorjahrespreisträgerin Verfassungsrichterin Susanne Baer den Wanderpreis weitergab, dem sie die „gesammelte Kraft aller Preisträgerin“ zusprach, und mit großem Stolz von der Stärkung berichtete, die er ihr in ihrem Karlsruher Büro bereitet hatte, gab es laute Standing Ovations. Dem Gänsehaut-Feeling beim feurigen Flamenco-Gitarrenspiel von „La Paquita“ Katja Ploetz folgte befreiendes Gelächter über Gabriele Dennerts Bemerkung, wie viel zusätzliche Lebenszeit ihr dieses gesundheitsförderliche Community-Erlebnis wohl eingebracht habe. Dieses wiederum gipfelte schließlich in Ergriffenheit, als Maria Zemp in ihrer sehr persönlich gehaltenen Laudatio von Maria Beckermanns großem Optimismus und ihrem „liebenden Blick auf Frauen“ sprach. In den aufbrandenden Beifall mischten sich etliche verstohlene Schniefer der Rührung, als Zemp von ihrer Zusammenarbeit mit der „ersten offen lesbischen Gynäkologin“ erzählte, die ihr Verständnis von einem „Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper und ihre Würde“ geprägt sowie „Sexualität aufgrund feministischer Erkenntnisse neu definiert und alle Vielfalt sexueller Lebensweisen gewürdigt“ habe.
Mit der Wächterin über weibliche Selbstbestimmung wachen
Maria Beckermann nahm die Figurine „Wächterin“ der Künstlerin Amsel unter begeistertem Applaus entgegen. Sichtlich bewegt und „glücklich über diese Ehre“ erinnerte sie sich daran, wie sie zu Beginn ihres Studiums „in puncto Lesbenidentität noch am Nullpunkt“ gestanden hatte und wie sehr es ihr geholfen hatte, zu begreifen und dagegen vorzugehen, „wie viel Kränkung mit der Missachtung von Frauenliebe einhergeht.“ Abschließend versprach sie
mit der Wächterin auch in Zukunft über die Selbstbestimmung von Frauen zu wachen.
Ein schöner neuer Meilenstein in dieser für Lesben so einzigartigen Preisverleihungsgeschichte.
Wort für Wort, liebe Sisanne – genauso habe ich diese Preisvereihung empfunden, danke für deine wundervolle Zusammenfassung!!!
Liebe Susanne, entschuldige den Schreibfehler
Das war doch ein sehr netter kleiner Buchstabendreher 🙂 Danke für das Lob!