kulturelle
Buchrezi: Als das Cello vom Himmel fiel von Ivan E. Coyote
Es kann anderen schwerfallen, sich dir anzuvertrauen … Miteinander reden beruht auf Gegenseitigkeit. Einem Menschen, der selbst keine Geheimnisse zu haben scheint, vertraut man auch die eigenen nicht an.
Wie kann ich in dieser Familie Geheimnisse haben? In dieser Stadt?
Diese Art von Geheimnis meine ich nicht … Vielleicht ist Träume ein besseres Wort dafür … Du bist mein einziger Sohn und ich wusste nie, wovon du träumst.
Joeys Träume zerplatzen, als seine Ehefrau Ally mit der Ehefrau eines anderen Mannes fortzieht. Er versteht weder deren Beziehung noch, wieso alle in der kleinen kanadischen Stadt Drumheller immer über alles Bescheid wissen und er es erst zum Schluß erfährt.
Wir spähen zu dem Zeitpunkt in Joeys Leben, als er so langsam begreift, dass er über diese Trennung hinwegkommen muss. Als ein Kunde ihm für einen Gebrauchtwagen ein Cello anbietet. Ab da sind wir Lesenden nicht mehr nur Lesende, ab da möchten wir – wie die neugierigen aber wohlmeinenden Stadtbewohner_innen – wissen, wie es mit ihm weitergeht.
Im Klappentext des gebundenen Büchleins mit Schutzumschlag und pinkem Lesebändchen heißt es in einem Zitat aus dem Ottawa Xpress, Autorin Ivan E. Coyote bereichere die Literatur auf die gleiche hinreißende Weise wie k.d. lang die Country Music. Ich finde, mehr noch: Die leisen Töne in ihrer Geschichte sind wie kleine Sonnenstrahlen, Hoffnungsschimmer oder Lachtränen nach dem Weinen.
Der von Dagmar Schadenberg gestaltete Titel lädt im Buchladen sofort zum Zugreifen ein und wieder hat Andrea Krug mit ihrer Übersetzung ein Kleinod für uns geschaffen: Wie kann es Joey gelingen, „dass das Cello nicht so klingt, als ziehe man eine Katze am Schwanz über den Küchentresen?“ – oder „wie ein sterbender Elch“?
Die Autorin weckt Fragen über Fragen beim Publikum. Wieso möchte sich einer der Bewohner Drumhellers umbringen und ist plötzlich wie vom Erdboden verschwunden? Und ist es eine gute Idee, dass Joey seiner Ex die restlichen Sachen nach Calgary fährt und dort nach jemandem sucht, der ihm Cellospielen beibringt?
Wir reisen mit Joey. Wir fühlen mit Joey. Mich hat sein Leben so eingenommen, so berührt – und ich liebe Cellomusik. Außerdem liebe ich solche besonderen Menschen, mit denen das Leben nicht gut umgeht, die aber trotzdem weitermachen. Das alles und noch mehr bekommen wir auf diesen 222 Seiten voller Begegnungen mit Menschen, die Joey irgendwie weiterbringen. Gibt es wirklich Zufälle, frage ich mich mehr als einmal – der Protagonist jedenfalls begegnet den richtigen Menschen zur richtigen Zeit.
Es ist wieder einmal so eine Geschichte, von der ich viel berichten möchte – es aber nicht kann, weil Ihr sie selbst erleben solltet. Mein Tipp: Lesen!
Als das Cello vom Himmel fiel
Ivan E. Coyote
Verlag Krug und Schadenberg
ISBN 978-3-930041-74-9