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Buchrezi: Carolin Hagebölling „Ein anderer Morgen“

Buchcover Carolin Hagebölling "Ein anderer Morgen", © dtv VerlagCarolin Hageböllings Erstling „Der Brief“ hat mich schon ziemlich fasziniert, da es keine gewöhnliche Geschichte war.

Nun legt sie nach mit „Ein anderer Morgen“, der aus zwei Teilen besteht. Zwischen Liebesgeschichte und Lebenskrise ist ihr hier ein Roman gelungen, in dem sich sicherlich viele von uns wiederfinden. Damit meine ich nicht nur die, die unglücklich in einer Beziehung stecken, sei es nun wie bei Protagonistin Eva in einer Hetero-Ehe. Ich meine vielmehr die Zweifel, ob das Leben, das wir leben, das richtige ist. Und die Überraschungen, die das Leben bereithält, während man denkt, man habe doch anderes geplant.

Im ersten Teil – Du – wird Evas (Innen)Leben betrachtet. Hagebölling beschreibt Aufs und vor allem Abs in Evas Gefühlswelt: „Plötzlich fällt dir ein, was du sie noch fragen wolltest..“ im zweiten Teil wird sie weicher – jetzt die Ich-Erzählerin Eva: „Hier möchte ich sein, nur hier kann ich wirklich ich sein, trotz allem.“

Eva ist zu Anfang eher nicht sympathisch. Richtiggehend gemein behandelt sie Ehemann und Kollegin, unzufrieden und voller merkwürdiger Gedanken. Gleichzeitig identifiziert man sich direkt mit ihrem Innenleben – wer von uns möchte nicht manchmal fies zu anderen sein, die einem auf die Nerven gehen?

Eva lebt eigentlich ein erfolgreiches Abteilungsleiterinnenleben, hat zwei Kinder und einen lieben Ehemann, ist aber nicht glücklich, stellt alles infrage – und begegnet dann der Freundin ihres Chefs. Anna ist Schriftstellerin, Künstlerin, und nimmt Eva direkt gefangen. Das beruht auf Gegenseitigkeit – und vermutlich fühlt es sich deswegen auch so richtig an, ihr Zusammensein, ihr Verliebtsein.

So sind sie zwar zunächst beide jeweils „die Geliebte von“ – mit schlechtem Gewissen den Partnern gegenüber, aber so wie die beiden sich zusammenpuzzlen, möchte man ihnen ein Happy End wünschen. Nicht wie in anderen Geschichten oder Fernsehfilmen, in denen die Frauen sich vor bösen Ehemännern in die Arme einer Freundin flüchten. Carolin Hagebölling beschreibt die Faszination zwischen Eva und Anna dermaßen nah und voller Gefühl ohne kitschig zu sein:

Mit dem Ärmel wische ich die Spuren der Verzweiflung von der Scheibe. Ob ich die Zweifel jemals ganz verwischen kann, weiß ich nicht.

Die beiden haben ihre Alltagsfluchten und versuchen dennoch Alltag zu leben. Miteinander, ohneeinander – immer mit der Angst, aufzufliegen. Gespräche über ihre Leben, Tiefgang in jeglicher Beziehung, zeichnet Hagebölling geradezu aus. Dieses Buch zu lesen ist ein Genuss. Es fortzulegen fast unmöglich.

Der beste Weg ist immer der eigene. Ein unbeschriebenes Blatt Papier, das jeder selbst füllen muss,

erklärt Schriftstellerin Anna zu dem Buch, das sie in Hageböllings Roman geschrieben hat. Und es ist gleichzeitig eine Metapher für die Geschichte, die Eva und sie erleben, was sie vorher ja nicht wissen konnte. Evas Weltbild ändert sich. Aber auch die Leben der beiden Partner bleiben nicht unberührt. Wir Leserinnen schon gar nicht. Ein Herzensbuch.

Ein anderer Morgen
von Carolin Hagebölling
12 Euro, 240 Seiten
ISBN-13: 978-3423261944
https://www.dtv.de/buch/carolin-hageboelling-ein-anderer-morgen-26194/

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