phenomenelle

kulturelle

Ylva Verlag

Buchrezi: Endlich angekommen von Chira Brecht

„Ich glaube, ich kann mich im Moment niemandem zumuten“.

Verena spricht aus, was wir alle, die wir mal so richtig am Boden waren, schon empfunden haben. Und Verena IST am Boden.

d_brecht_endlichangekommenDie erfolgreiche, karrieremäßig voll durchstartende Ärztin, die sich immer unter Kontrolle hat, wird zum Opfer, als sie k.o.-Tropfen unbemerkt mit einem Glas Champagner zu sich nimmt.
Schon zu Beginn des Buches kämpft sie nicht nur mit Eheproblemen, sondern will sich auch ihre Gefühle zu Frauen nicht eingestehen. Dabei hatte sie Jahre zuvor schon eine Beziehung mit  einer Frau, die mittlerweile zu ihrer besten Freundin geworden ist: Kathrin. Und sie hat ihren Ehemann Stefan mit Kathrins jetziger Lebensgefährtin Carmen betrogen. Das alleine würde schon für eine handfeste Krise ausreichen, denn Stefan und sie streiten wegen jeder Kleinigkeit und stellen damit auch das Familienleben auf die Probe, denn die Kinder wirken hier zeitweise vernünftiger als die Eltern.
Dem nicht genug wird sie am Morgen nach der k.o.-Tropfen-Nacht bei einem Autounfall schwer verletzt.
Sie verschließt sich ihrem kompletten Umfeld und versucht, die Geschehnisse der Nacht zu verdrängenn und stark zu bleiben.
Doch die Fassade bröckelt: Ihr behandelnder Arzt, aber auch der Therapeut und Kathrin zeigen ihr, dass Schwäche zeigen weniger ermüdend ist und dass sie nur als Privatperson und nicht als die „starke“ Ärztin genesen kann.
Und dann ist da noch Mona. Eine alte Studienfreundin, die sie nach 15 Jahren Funkstille nun auf einer Dienstreise wiedertrifft und – es gibt ja keine Zufälle – mit der sie den Abend vor der k.o.-Tropfen-Nacht verbringt. Mona wird dann auch noch ihre erstbehandelnde Ärztin auf der Intensivstation. Sie möchte die ganze Sache aufklären und die Person, mit der Verena die Nacht verbracht und von der sie die Tropfen verabreicht bekommen hat, bestraft wissen.
Verena hat zunächst Einwände. Sie ist eine verheiratete, erfolgreiche Ärztin und möchte das Geschehene nicht nur schnell vergessen, sondern nicht auch noch Staub aufwirbeln.
Erst als Mona ihr von einem ähnlichen Fall berichtet, dreht sich das Blatt.
Außerdem ist ihr Mona nicht gleichgültig.
Sie ist Mona nicht gleichgültig.
Doch wie sich annähern, wenn man erstens niemandem vertraut und zweitens man ja gar nicht auf Frauen steht?
Bei einem Besuch Monas in Verenas Reha kommt endlich die erleichternde Aussage: „Ich habe keine Ahnung, wie die nächsten Wochen für mich aussehen werden…. Aber ich weiß ganz sicher, dass ich nicht nochmal fünfzehn Jahre vergehen lassen werde, ehe ich dich wiedersehe, Mona Grafenbach!“
Während also beide Frauen schlaflose Nächte verbringen, ging es mir als Leserin ganz genauso: Ich hatte Chira Brechts eBook nur mal kurz anlesen wollen. Endergebnis waren dann komplett ins Buch versunkene Busfahrten, Mittagspausen, Nächte und Nachmittage, wann immer ich eine freie Minute erübrigen konnte und mir die Augen vor Müdigkeit nicht zufielen. So spannend und gleichzeitig einfühlsam beschreibt die Autorin, was die Menschen in ihrer Geschichte erleben.
Fast dürfen wir ein wenig andere Leben mitleben, nicht nur begleiten wie in manch anderen Büchern. Trotz des Grauens, das Verena erlebt, fühlen wir uns auch glücklich. Denn Chira Brecht versteht einfach, das Leben mit dessen Höhen und Tiefen zu erzählen.
„Mut muss immer gefeiert werden“, gibt sie uns gegen Ende noch mit auf den Weg.
Dem ist nichts hinzuzufügen 🙂
Chira Brecht: Endlich angekommen
eBook 12.99 Eu broschiert 16.90 Eu
Verlag Krug und Schadenberg
Ylva Verlag

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige


Anzeige LITfest homochrom 06.–08.08.2021

visuelle

  • Fernsehinfos vom 12. bis 29. November 2024
  • Fernsehinfos vom 5. bis zum 18. Oktober 2024
  • Radiotipp: Die Linguistin Luise F. Pusch im Gespräch
  • Buchtipp: Daniela Schenk: Mein Herz ist wie das Meer
  • Buchtipp: Elke Weigel – „Wind der Freiheit“
  • Buchtipp: „Riss in der Zeit“ von Ahima Beerlage
  • Filmtipp zum 75. Geburtstag von Ilse Kokula
  • Ilka Bessin: Abgeschminkt – Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede
  • Interview und Verlosung zu 25 Jahre „Krug & Schadenberg“
  • Der Schottische Bankier von Surabaya: Ein Ava-Lee-Roman
  • CD-Review: LAING sind zurück mit neuem Album
  • Interview: „Diversity muss von der Führung kommen“
  • 5 Serien für Fans starker TV-Charaktere …
  • „Danke Gott, dass ich homo bin!“ – Filmreview von „Silvana“
  • Buchrezi: „Lesbisch. Eine Liebe mit Geschichte“
  • Rückblick auf die NorthLichter
  • DVD-Rezi: „Call My Agent“ – Staffel 2
  • Berlin: Etwas andere Pride Parade am 23. Juni 2018 …
  • Buchrezi: Carolin Hagebölling „Ein anderer Morgen“
  • Ausstellungseröffnung „Lesbisches Sehen“ im Schwulen Museum Berlin
  • „The Einstein of Sex“ – Stück über Magnus Hirschfeld
  • „Here come the aliens“ – Das neue Album von Kim Wilde
  • Album-Review: Lisa Stansfield „Deeper“
  • Theater X: Deutschlands vergessene Kolonialzeit