kulturelle
Buchrezi: Donaunebel von Stefanie Zesewitz
In den Wochen nach Lesen dieses Buches ertappte ich mich immer wieder dabei, dass ich über Theo nachdachte. Theo, die als Mann gekleidet, während des Ersten Weltkrieges in Wien als Bestatter arbeitet. Als Soldat ausgemustert, zeigt sie hier eine Mischung aus Stärke, Emotionalität und Abgeklärtheit und hat dadurch eine so anziehende Art, dass sich jede Menge junge Frauen in sie verlieben.
Zunächst lässt es Theo eher selten so weit kommen, dass die schwärmenden Damen ihr Geheimnis herausfinden. Denn dies würde sie nicht nur den Job kosten. Sie lebt mit ihrem Vater zusammen und hat eine beste Freundin, der die örtliche Kneipe gehört. Sonntags geht man(n) ins Kaffeehaus und die Leser_in hört förmlich das leise Gemurmel von Gesprächen und Kaffeegeschirrgeklapper im Hintergrund. Manche Frauen berühren Theo und sie lässt sich darauf ein, zu fühlen und zu lieben. Doch als sie Aglaja begegnet, ändert sich ihr Leben.
Dieser historische Roman wäre kein echter Zesewitz, wenn nicht sowohl Theos bisherige Lebensgeschichte erzählt würde als auch die von Aglaja. Manchmal blätterte ich vor, um die Geschichte Aglajas während der russischen Revolution weiterlesen zu können. Denn die Autorin schafft immer wieder so spannende Momente, dass ich viel zu ungeduldig war, erst Theos Geschichte zu erfahren. Wenige Buchstellen später ging es mir mit Theo genau so. Und ich blätterte erst zu ihrem Teil vor, um mehr von ihrem Leben mitzunehmen.
Wie schon bei Zesewitz‘ Buch Wie ein Versprechen wollte ich nur noch abtauchen und immer weiterlesen. Ich ließ mich mitreißen, wenn Geheimnisse auffliegen, Missverständnisse Schwierigkeiten machen und Puzzleteile sich zusammen fügen. Ich wurde fast ein Teil dieser Lebensgeschichten. Das Glück kommt – puh! – auch nicht zu kurz, so dass ich bei allem Auf und Ab, bei den Gesprächen, auf dem Jahrmarkt mit Freundin Veronika und deren Tochter Klara auch innerlich richtig erleichtert war, mitweinte oder mich mitfreute.
Auf 413 Seiten inklusive Nachbemerkungen, Quellenangaben und Danksagung zeichnet Stefanie Zesewitz eine Zeit nach, die wohlrecherchiert ist und in der ich selbst gern gelebt hätte – oder aufgrund all der Schwierigkeiten und Umbrüche lieber doch nicht. Auf jeden Fall ist ihr ein lesenswerter Roman aus längst vergangenen Zeiten gelungen, den ich gern empfehle.
Einen Wunsch habe ich noch: Bitte weiterschreiben, ich will sie alle rezensieren.
Donaunebel
von Stefanie Zesewitz
408 Seiten, broschiert, € 16,90
(auch als eBook erhältlich, € 9,99)
ISBN: 978-3-89656-230-2
http://www.querverlag.de/books/Donaunebel.html
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Von zehn Leuten überleben neun diese Art von Krebs“, sagt mein Arzt zu mir. „Schön“, sage ich, „ich bin dabei!“ Vom Tag der Diagnose bis zur letzten Nachuntersuchung ist mein Notizbuch immer bei mir. Mit meinen Aufzeichnungen möchte ich anderen Mut machen – denn als ich Lymphdrüsenkrebs bekam, fand ich kein solches Buch – also schrieb ich selbst eins.
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