kulturelle
Eine phenomenelle lesbische Oscar-Nachlese
Der Preis bleibt weiß, heterosexuell und männlich
Die 87. Oscars sind vorbei. Was bleibt von der Award-Show des Jahres 2015? Welche Highlights gab’s zu genießen, welche Tiefpunkte zu überstehen? The Oscar goes to … die Gewinner_innen gingen fast ein wenig unter. Eddie Redmayne freute sich süß über seine Trophäe als bester Schauspieler und endlich, endlich durfte auch Julianne Moore den Gold-Kerl im Arm halten. Beide Auszeichnungen wohl verdient.
Quelle: Quelle: vogue-lu.tumblr.com
Mit lesbisch phenomenellem Auge fragte ich mich während der Übertragung: Wie schlägt sich der offen schwule Schauspieler Neal Patrick Harris als Moderator im Vergleich zu Ellen DeGeneres? Welche Oscar-Momente hinterlassen die stärksten Eindrücke?
Legen*wait*dary Neal Patrick Harris?
Ellen führte 2014 charmant, witzig und einfühlsam durch den Abend. Unvergesslich das stargespickte Twitter-Selfie und die Pizza-Lieferung für hungrige Promis. Charmant gibt sich auch Harris, leider wirkt er eher hölzern und ein wenig unsicher. Witzig versucht er zu sein. Schwer, wenn gleich die ersten Witze mehr oder weniger fehlzünden. Oprah Winfrey, die viel Begeisterungsfähigkeit besitzt, wie sie kurze Zeit später zeigen soll, schaut nur entgeistert. So muss Harris erst erklären, warum er sie mit dem oscarnominierten Film American Sniper vergleicht. Sie sei reich. Reicher als die anderen. So wie der Film mehr eingespielt hat als die anderen ebenfalls nominierten. Witz versenkt. Aber wie einfühlsam sind schräge Witze fast ausschließlich über schwarze Medienschaffende? Angesichts der Tatsache, dass die Acadamy im Vorfeld der Verleihung scharf dafür kritisiert wurde, gerade die bei den Nominierungen übergangen zu haben, kommen sie unsensibel daher. Dafür dürfen Afro-Amerikaner_innen so häufig wie selten die Trophäen übergeben. Was zynisch darauf verweist, Hollywood reduzierte schwarze Schauspieler_innen Jahrzehnte lang auf Dienstmädchen- und Gangsterrolle.
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Harris unsensibelster Witz: „I loved that dress. Takes a lot of balls to wear a dress like that.“
Dumm nur, dass Dana Perry, die ihren Oscar in einem schwarzen Kleid mit fluffigen Stoffkügelchen verziert entgegen nahm, diesen gerade ihrem Sohn gewidmet hatte, den sie an einen Suizid verlor. Verbunden mit dem Wunsch, Suizid mehr Aufmerksamkeit zu gewähren.
Bewegendste Momente
Der Song Glory aus Selma rührt die Hälfte des Auditoriums zu Tränen und gewinnt anschließend den Oscar als bester Filmsong. Eine kleine Wiedergutmachung für den Oscar-verschmähten Film.
Der offen schwule Drehbuchautor Graham Moore erzählt in seiner Dankesrede, wie er als 16-jähriger selbst Suizid begehen wollte, weil er sich so sonderbar und anders fühlte und das Gefühl hatte, nicht dazuzugehören. Er nutzt den Moment allen zu sagen, die sich heute so fühlen:
Ja, Du gehörst dazu. Bleibe sonderbar, bleibe anders. Und wenn du auch mal hier oben stehst, gib diese Message bitte an die nächste Person weiter.
Inklusivster Moment
Rapper Commons nutzt seine Dankesrede für den besten Song als flammenden Appell an demokratische Rechte auf der ganzen Welt. Für ihn wurde die Brücke von Selma vom Zeichen einer gespaltenen Gesellschaft zu einem Symbol des Wandels, seitdem dort vor 50 Jahren Martin Luther King und die Bürgerrechtsbewegten demonstrierten.
Der Geist dieser Brücke überwindet Herkunft, Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung und sozialen Status.
R&B-Kollege John Legend weist im Anschluss noch darauf hin, dass der Kampf um Gerechtigkeit heute stattfinde. Die Wahlrechte, für die die Bürgerrechtler_innen in den 60ern auf die Straße gingen, seien heute wieder in Gefahr und mehr schwarze Männer sitzen im Gefängnis als 1850 versklavt wurden. Das sitzt. Das Publikum zeigt sich sichtlich irritiert, bevor es applaudiert.
Der Gaga-Moment
„The One and Only“, kündigt Scarlett Johansson die aktuelle Queen of Pop an. Ein Versprechen, dass diese fulminant einlöst: Lady Gaga bringt mit ihrer Performance alle zum Schweigen, die jemals behauptet haben, sie könne nicht singen. Ihr Medley aus Sound of Music reißt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Die ehemalige Hauptdarstellerin und Musical-Ikone Julie Andrews bedankt sich tränenreich. Warum ausgerechnet das grauenhaft reaktionäre Musical über eine von der Nonne zur Hausfrau geläuterte Sängerin für den Tribute ausgewählt wurde, bleibt ein Geheimnis der Veranstalter. Lady Gaga traut man derweil fast alles zu, auch das Meer zu teilen.
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Der feministische Moment
Gleich zu Anfang hält Patricia Arquette eine flammende Rede für Frauenrechte und gleiche Einkommen. Und erntet einen leidenschaftlichen Ritterschlag von Hollywoods dreifach oscargekrönter Königin Meryl, der I.
Später wird Arquette heftig kritisiert, dass sie Schwarze und Gays dazu aufforderte, nun auch für Frauenrechte zu kämpfen. Weißen Feminismus werfen ihr viele auf Twitter und in anderen sozialen Netzen vor, schwarze und lesbische Frauen seien auch Frauen.
Der Hashtag-Moment
Hollywoods Frauen fordern nicht nur gleiche Gagen. Gemeinsam mit anderen wehrte sich Oscar-Preisträgerin Reese Witherspoon schon im Vorfeld. Unter dem Hashtag #AskHerMore wollen sie darauf aufmerksam machen, dass Frauen starke und komplexe Charaktere verdienen und auf dem roten Teppich weniger nach dem Designer ihres Kleides und mehr nach ihrer Arbeit gefragt werden sollten.
Der lesbische Moment
Die kanadischen Zwillinge Tegan & Sarah präsentieren mit The Lonely Island den nominierten Song Everything is Awesome. Tolle Performance für ein albernes Lied.
Quelle: evilthatjustdoesnotexist.tumblr.com
Der Oprah Moment
In den USA ist die Talkmasterin und Schauspielerin eine Legende. Nominiert war sie als Produzentin, geht aber leer aus. Dafür verleiht sie den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, sitzt an prominenter Stelle im Publikum und hat viele Momente. Die reichste und wohl mächtigste Frau im US-Showbiz freut sich aber wie kein_e andere über ihren Lego-Oscar.
Quelle: willthisgoviral.tumblr.com
Der „muss-ich-nicht-sehen“ Moment
Gehört dem Moderator Harris, auch wenn John Travolta mit seinen übergriffigen Knutschereien bei Idina Menzel und Scarlett Johansson gefährlich nah heran kommt. NPH, wie ihn Fans liebevoll nennen, schlägt ihn um einen Wimperschlag. Er kommt fast nackt in weißen Ripp-Unterhosen auf die Bühne. Ja, eine Parodie auf den Oscar-Siegerfilm Birdman. Aber ernsthaft? Weiße Ripp-Unterhosen? Dr. Hotpants Zoie Palmer schlägt eine deutlich attraktivere Variante vor:
Mein Fazit und Wünsche fürs nächste Jahr
Die Oscars 2015 bleiben weiß, heterosexuell und männlich, betrachtet man das gros der nominierten Filme. Vielfalt? Fehlanzeige. Immerhin können schwule Männer gewinnen, wenn sie weiß sind und/oder von heterosexuellen Schauspielern gespielt werden.
Meine Wünsche für 2016: „Ellen come back, oh please, come back.“ Oder die Oscar-Academy gibt nach Whoopi Goldberg mal wieder einer schwarzen Frau die Ehre, Oprah Winfrey oder Queen Latifah fielen mir da adhoc ein. Wie wäre es mit einem vierten Oscar für die Königin, denn wie sagt Jared Leto bei der Vorstellung der fünf Frauen, die für eine Nebenrolle nominiert sind, treffend?
Quelle cometothedarkside-x.tumblr.com
Sie sind vier Frauen. Plus, in Übereinstimmung mit den kalifornischen Gesetzen – Meryl Streep.