kulturelle
Filmreview: Reaching for the Moon – Die Poetin
1951 ist die amerikanische Poetin Elizabeth Bishop (Miranda Otto, auch bekannt als Eowyn aus „Herr der Ringe“) völlig ausgelaugt – ihre Gedichte sind nur noch „zu Wörtern zerpflückte Beobachtungen“. Um wieder neue Kraft und Inspiration zu schöpfen, reist die junge Frau zu ihrer langjährigen Studienfreundin Mary (Tracy Middendorf) ins weit entfernte Brasilien. Diese lebt dort mit ihrer Lebensgefährtin Lota de Macedo Soares (Glória Pires), einer temperamentvollen Architektin, ungestört auf einem abgelegenen Anwesen. Doch statt sich zu erholen, eckt die schüchterne und etwas steife Amerikanerin Elizabeth sofort an dem lebensfrohen und lockeren Lebensstil ihrer brasilianischen Gastgeberin an. Insbesondere die energische Lota kann zunächst wenig mit der blassen Elizabeth anfangen. Erst als ein allergischer Schock die Poetin dazu zwingt, länger auf dem Anwesen zu bleiben als geplant, kommen sich die zwei grundverschiedenen Frauen näher. Zu Marys Leidwesen entspinnt sich bald ein prickelnder Flirt der schnell in eine alles verzehrende Liebesbeziehung umschwingt. Um ihre große Liebe Lota nicht endgültig zu verlieren, lässt sich Mary trotz der offensichtlichen Verletzung dennoch auf den unkonventionellen Vorschlag ihrer Partnerin ein, zu dritt auf dem Anwesen zu bleiben. Die Adoption eines lang gewünschten Babys soll Mary über den Verlust ihrer Partnerin hinweg helfen. Doch das außergewöhnliche Beziehungsgeflecht ist nicht von langer Dauer. Elizabeth egozentrische Art, ihre Alkoholsucht und ein großes Bauprojekt von Lota bringen das fragile Gleichgewicht bald gehörig ins Schwanken…..
Reaching For The Moon ist das neueste Werk des brasilianischen Regie-Altmeisters Bruno Barreto. Bereits 1976 sorgte Barreto mit einem seiner ersten Langfilme – dem brisanten und für die damalige Zeit höchst verruchten Dona Flor und ihre zwei Ehemänner – international für Aufsehen und avancierte mit über 12 Millionen Zuschauer zu dem bis dato erfolgreichsten brasilianischen Film aller Zeiten. Auch Reaching for the Moon konnte sich die Aufmerksamkeit der internationalen Festivallandschaft sichern. 2013 lief er nicht nur auf der Berlinale in der Sektion Panorama und auf auf dem Tribeca Filmfestival sondern gewann zudem den Publikumspreis des San Francisco International Lesbian & Gay Film Festivals sowie des Toronto Inside Out Lesbian and Gay Film and Video Festivals. Tatsächlich lässt sich bei Reaching for the Moon die Handschrift eines erfahrenen und routinierten Cineasten erkennen. Wunderschön fotografiert und äußert liebevoll ausgestattet fängt der Film nicht nur die faszinierende Welt des fernen Brasiliens sondern auch das Lebensgefühl der 50er Jahre authentisch ein. In satten Farben präsentiert uns Barreto ein fast völlig abgeschottetes Paradies und eine Atmosphäre sonnendurchfluteter Freiheit, die nur selten durch die gesellschaftlichen Zwänge der biederen 50er Jahre unterbrochen wird.
Doch abseits dieser handwerklichen Perfektion und der tollen Bilder ist der Film dramaturgisch leider etwas schwach auf der Brust. In der Tradition zahlreicher biographischer Werke versäumt es auch Reaching for the Moon sich seiner künstlerischer Freiheit zu bedienen und abseits der historischen Ereignisse einen zentralen Konflikt zu implementiert, der zu einem kohärenten Spannungsaufbau beiträgt. Im Zentrum der Betrachtung steht weder ein bestimmtes Ereignis noch ein zentrales Problem sondern die langjährige Beziehung zwischen Elizabeth und Lota. Der Fokus liegt hierbei deutlich auf der emotionalen Ebene ihres Verhältnisses und der Dynamik zwischen den beiden Frauen. Historische Ereignisse außerhalb der paradiesischen Enklave aber auch Elizabeths Arbeit als Poetin spielen dagegen nur am Rande eine Rolle und dienen nur selten als Impulsgeber für neue Geschehnisse.
Leider ist die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen zudem so schwach ausgeprägt, dass es selbst den emotionalen Höhepunkten des Films an packender Intensität fehlt. Obwohl (oder vielleicht auch genau weil) Miranda Otto die äußert introvertierte Poetin sehr überzeugend mimt, will der Funke zwischen ihr und Glória Pires einfach nicht überspringen. Statt flammender Leidenschaft ähnelt ihre Beziehung von Anfang an eher einem nüchternen Nebeneinander. Der rasante Verlauf ihres Verhältnisses bleibt für den Zuschauer somit nur schwer nachvollzieh- und kaum miterlebbar und auch die verzehrende Totalität ihrer Gefühle kommt nur über die Worte der Protagonisten – nicht jedoch über ihr gemeinsames Spiel – zum Ausdruck. Was Lota an der blassen, wortkargen und egozentrischen Elizabeth findet, bleibt bis zum Schluss völlig unklar. Damit bröckelt jedoch nicht nur die emotionale Nachvollziehbarkeit sondern auch die tragenden Grundpfeiler des Films, der klar auf seine Figurenkonstellation fokussiert, sodass Reaching for the Moon spätestens nach dem Einzug Elizabeths auf dem brasilianischem Anwesen zu einem äußerst zähen Machwerk wird. Wer jedoch in schönen Bildern und mit mitreißenden Worten mehr über das Leben einer der wichtigsten (in Deutschland jedoch fast unbekannten) Poetin Amerikas erfahren möchte und eher einer gediegenen Dramaturgie zugetan ist, dem sei der Film wärmstens ans Herz gelegt.
Originaltitel: „Flores Raras“ (Brasilien 2013)
Kinostart Deutschland: 10.04.2014
Vertrieb: Pandastorm
Kinoverleih: Neue Visionen
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