kulturelle
Frauensee – Pro
Beziehungsreigen am See
Es beginnt wie ein Dokumentarfilm über ländliches Leben: Eine gestandene Fischerin und ein Fischer fahren mit einem kleinen Boot auf einen See hinaus. Sie wollen ihre Fischreusen kontrollieren, die offenbar immer wieder von Freizeitanglern zerschnitten werden. Rosa, die wortkarg-ruppige Fischwirtin, hadert – trotz beschaulicher Landschaft – mit ihrer etablierten Geliebten aus der Stadt. Kirsten, eine vielbeschäftigte und wohlhabende Berliner Architektin, verbringt gern ihre Wochenenden im selbst entworfenen Landhaus, will sich aber nicht so einlassen, wie Rosa es sich wünscht. Während Rosas Arbeitsroutine sich vorwiegend auf dem See abspielt, findet Kirstens hier ausschließlich am Telefon statt; da macht sie auch keine Ausnahme, wenn die Liebste ihr gegenüber sitzt.
Die Begegnung mit zwei draufgängerischen, gedankenlosen jungen Studentinnen, Evi und Olivia, verleitet Rosa dazu, ihr unbefriedigendes Arrangement mit Kirsten zu überdenken, zumal die abenteuerlustige Evi Rosa so unverhohlen anmacht, dass sie sich dem kaum zu entziehen vermag. In den harmonisch geplanten Zweierbeziehungen knarzt und ächzt es, aber alle vier gehen auf ihre Art sehr offensiv mit der von ihnen geschaffenen Situation um. Schlussendlich fällen sie deutliche Entscheidungen.
„Frauensee“ ist einer dieser kleinen, nur auf den ersten oberflächlichen Blick unscheinbar wirkenden Filme, die es schaffen, neue Bilder zu inszenieren, wie etwa das einer selbstbewussten lesbischen Fischerin. Vor einer idyllischen Naturkulisse problematisiert „Frauensee“ ganz nebenbei den unbedarften Umgang mit errungenen und geschenkten Freiheiten, denn alle vier Frauen haben sich offensichtlich sowohl beruflich wie auch privat selbst verwirklicht. Lesbische Beziehungen werden hier nicht mehr als Abweichung von der heterosexuellen Norm behauptet, sondern werden als selbstverständliche Lebensweise gezeigt, in die eine als Heteronormalität inszenierte Außenwelt störend hineinragt: so bspw. in Form eines traditionsbewussten und egozentrischen Anglers, der die jungen Frauen, die rücksichtslos ihr Boot ins Schilf fahren, „blöde Lesben“ schimpft.
Die jungen Städterinnen nehmen sich am See unverfroren, was sie haben wollen, und gefährden – völlig desinteressiert – das dortige Gleichgewicht. Der inhaltliche Bezug zu der Freiheit, die sie leben, ist ihnen verloren gegangen bzw. vermutlich ist er nie bei ihnen angekommen. Sie nehmen sich die Freiheit nur aus einem einzigen Grund: Weil sie es können. Die egozentrische, sozial ignorante Macht eines „Ich will“ wird vielleicht den älteren Frauen bewusst. „Arschloch“, gibt Evi später grinsend an den Angler zurück. Verstanden hat sie jedoch nichts.
Ingeborg Boxhammer
Susanne Lück fand den Film übrigens nicht so gut, hier ist ihr Contra.
Und hier ist der Trailer zum Film:
Sehen könnt ihr den Film im Januar 2013 bei folgenden Gelegenheiten:
- L-Filmnacht
http://www.l-film-nacht.de - homochrom Filmreihe
http://www.homochrom.de/lesbisch - Bonn am 28.1.
http://www.bonnerkinemathek.de
D 2012, R: Zoltan Paul, Drehbuch: Zoltan Paul & Ensemble
Salzgeber Verleih
mit Therese Hämer, Nele Rosetz, Lea Draeger, Constanze Wächter, 86 min
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