kulturelle
Im Kino: La Belle Saison – Eine Sommerliebe
Frauenbewegte lesbische Liebesgeschichte
La Belle Saison spielt im Frankreich der 1970er Jahre. Delphine (Izia Higelin) verlässt das konservative Landleben und zieht vom Hof ihrer Eltern nach Paris, um dort zu arbeiten. Zufällig trifft sie auf eine Frauengruppe, die gerade in eine aktivistische Aktion auf der Straße verwickelt ist. Als die Frauen dabei von einem Mann angegriffen werden, hilft Delphine ihnen ohne zu zögern. Sie ist fasziniert von der politischen Bewegung und ganz besonders von einer der Frauen, der Spanischlehrerin Carole (Cécile de France). Delphine und Carole, die eigentlich mit ihrem pro-feministischen Freund Manuel in einer monogamen Beziehung zusammenlebt, beginnen bald eine leidenschaftliche Affäre.
Hin- und Hergerissen zwischen Liebe und Familie
Plötzlich jedoch erreicht Delphine die Nachricht, dass ihr Vater einen Schlaganfall hatte. Sie eilt zurück zu ihren Eltern und unterstützt ihre Mutter im Alltag und bei der Feldarbeit. Schnell ist klar, dass sich der Vater gesundheitlich nicht mehr erholen wird und nie mehr auf dem Hof arbeiten kann. Carole vermisst Delphine währenddessen und fährt zu ihr aufs Land. Sie bleibt eine Weile und wohnt bei Delphine und deren homo-feindlicher Mutter, die nichts von der Beziehung der beiden Frauen erfahren soll. Während Delphine an Heimlichkeiten gewohnt ist, was ihre Sexualität betrifft, will sich Carole auf Dauer nicht damit abfinden und möchte außerdem zurück nach Paris. Doch Delphine ist hin- und hergerissen zwischen ihren vermeintlichen Verpflichtungen den Eltern gegenüber und dem Leben mit Carol in Paris mit allen Freiheiten.
Zweite Frauenbewegung bekommt viel Raum
Die Regisseurin Catherine Corsini beschreibt ihren Film als Versuch, den Feministinnen der 70er Jahre ihren Respekt zu zollen und ihnen die oft abgesprochene Vitalität und Lust zuzugestehen. Obwohl die Beziehung von Carole und Delphine im Vordergrund steht, werden entsprechend viele politische Themen der zweiten Frauenbewegung angesprochen: die Selbstbestimmung über den eigenen Körper, das Recht auf Verhütung und Abtreibung, die Unterschiede zwischen bürgerlichen Frauen und Arbeiterinnen sowie die unterschiedlichen Ziele von heterosexuellen gegenüber lesbischen und bisexuellen Frauen. Leider wurden die wichtigen Diskussionen um Diversität und Rassismus in der Frauenbewegung ausgespart, und auch die Frauengruppe besteht durchweg aus weißen Feministinnen.
Zeitdokument mit toller Bildsprache
Die Charaktere werden ernstgenommen und ihr Verhalten wirkt glaubhaft und realistisch. Als Carole die Affäre mit Delphine beginnt, bespricht sie dies offen aber sehr verunsichert mit ihrem Freund Manuel. Beide versuchen, einen Umgang mit der Situation zu finden und wirken dabei sehr authentisch und verletzbar. Die Energie zwischen Delphine und Carole ist überwältigend, geradezu verzaubernd. Besonders vor dem geschichtlichen Hintergrund von feministischen Kämpfen und der damaligen Aufbruchsstimmung wirkt alles noch drängender und existenziell bedeutsam. Der Film hat eine sinnliche und warme Bildsprache, die durch die stimmige und abwechslungsreiche Musikauswahl noch unterstrichen wird. Er wirkt wie ein Bild aus der Vergangenheit, bei dessen Anblick alle Gefühle einer großen Liebesgeschichte zurückkehren: der Schmerz, die Leidenschaft, die Bedingungslosigkeit und der Verlust – eingebettet in den geschichtlichen Rahmen des Feminismus der zweiten Frauenbewegung, als die Zeit reif zu sein schien für Freiheit und selbstbestimmte Liebe.
La Belle Saison – Eine Sommerliebe ist ab dem 5. Mai 2016 in den deutschen Kinos zu sehen.
Trailer:
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Steffi Achilles arbeitet als Crossmedia Expertin im Ylva Verlag und bloggt außerdem unter queersehen.de über queere Figuren, vor allem aus US-amerikanischen Fernsehserien.
Fotocredit: Alamodo Film