kulturelle
Jetzt im Kino: Zwei Mütter
Mutter werden ist schon schwer – besonders für Lesben. Wie sehr die Begleiterscheinungen einer Insemination eine Partnerschaft belasten können, zeigt Anne Zohra Berracheds Spielfilmerstling: angenehm unverkrampft, streckenweise tragikomisch und hervorragend gespielt!
Dass Lesben Kinderwünsche hegen, ist mittlerweile auch in der heterozentrierten Welt bekannt. Regenbogenfamilien sind schwer auf dem Vormarsch und passende Krabbelgruppen aus den größeren Städten nicht mehr wegzudenken. Ist ja auch wirklich schön, so ein kleines Bündel süßes Glück … Wer wünscht sich das nicht, zumindest ab und zu? Bei all der Euphorie und dem Anspruch auf Selbstverständlichkeit lesbischer Mutterschaft kann es nur gut sein, einmal die harsche Realität so hautnah zu erleben wie in „Zwei Mütter“.
Hürden für Wunschmütter
Mit den rechtlichen und medizinischen Hürden für lesbische Wunschmütter haben sich vorher schon einige Filme befasst – vor allem solche aus den USA und Skandinavien. Die Frauen dort konnten sich aber aus dem Katalog der US-Samenbanken zertifizierte Spender als Erzeuger ihrer Wunschkinder aussuchen oder wurden von dänischen Fertilitätskliniken ebenso kompetent betreut wie alleinstehende oder mit Mann lebende Patientinnen.
Spießrutenlauf Zeugung
Hierzulande kann bereits die Zeugung zu einem besonders langwierigen Spießrutenlauf voller entwürdigender, zermürbender Erlebnisse werden. Das macht der erste Spielfilm der Filmstudentin Anne Zohra Berrached gnadenlos klar. Nach den realen Erfahrungen von fünf Frauenpaaren erzählt sie die Geschichte von Isa (Karina Plachetka) und Katja (Sabine Wolf), anfangs ein glückliches Ehepaar voller Freude aneinander und Optimismus über die gemeinsame Zukunft. Isa möchte ein Kind, und Katja eigentlich auch – solange es durch einen Spender entsteht, der sich nicht ins gemeinsame Leben einmischt. „Ich hätte gern einen Erzeuger, keinen Vater“, erklärt sie klipp und klar beim Familienplanungsgespräch im Supermarkt. „So machen wir’s“, wispert Isa ihr bestätigend zu.
80% Fehlschlag
Dann hält nach und nach die Wirklichkeit Einzug in die naive Kinderwunschidylle. Der Bekanntenkreis gibt – wie so oft – keinen willigen Samenspender her. Und wegen der unklaren Gesetzeslage lehnen deutsche Ärzte eine Inseminationsbehandlung lesbischer Frauen fast rundweg ab – aus Angst vor möglichen Unterhaltsklagen, die mangels Vater an sie selbst gerichtet werden könnten. Der einzige Arzt, der sie annimmt, warnt die Mittdreißigerin Isa vor einem kostspieligen Versuch mit 80%-iger Fehlschlagquote. Sie will trotzdem – Enttäuschung folgt auf Enttäuschung.
Zunehmende Entfremdung
Die Stimmung sinkt, der Sex (aufgezwungen für bessere Empfängnischancen) wird schlechter, die Partnerschaft leidet – wie sollte sie auch nicht. Zumal die Behandlung über 10.000 Euro verschlingt, was die Durchschnittsverdienerin Katja zunehmend unter Druck setzt. Weil Isas Kinderwunsch aber stärker ist als die Not, suchen die beiden nach neuen Wegen. Die private Kontaktaufnahme mit freiwilligen Samenspendern wird zu einer eher tragikomischen Tour de Force von Peinlichkeit zu Peinlichkeit. Vom Zwang getrieben rückt Isa vom anfänglichen „Kein-Vater“-Pakt immer mehr ab, die Streits werden heftiger, die Entfremdung stärker …
Familienplanung im Visier
Nach diesem Film, der durch den dokumentarisch anmutenden Stil näher ans eigene Empfinden rückt, wird die eine oder andere Zuschauerin ihre zukünftige Familienplanung vielleicht noch einmal kritisch ins Visier nehmen. So blauäugig und rücksichtslos wie 400-Euro-Jobberin Isa jedenfalls möchte wohl keine ihr Wunschbaby erringen. Schon ein filmisches Verdienst! (Die finanziellen und emotionalen Probleme, die sich hier auftun, hören ja auch nach einer geglückten Geburt nicht etwa auf …)
Casting-Coup
Auch das Drehbuch funktioniert perfekt. Der Zerfall dieser Frauenbeziehung wird weit weg von sozialdramatischem Pathos direkt ins emotionale Zentrum der Zuschauerinnen inszeniert. Ein geschickter Casting-Einfall macht alles noch echter: Viele Nebenrollen werden von Laiendarstellern als sich selbst gespielt. Der wohlmeinende Ausnahmearzt, der brettarrogante Anwalt (der auch noch als einer der Hauptsponsoren des Films agiert – das ist schon ein Coup) und auch der endlich gewählte Samenspender und 20-fache Vater „Go for Gold“ – sie alle entspringen dem wirklichen Leben und könnten jeder von uns auf einer ähnlichen Suche begegnen.
Großartige Darstellerleistung
Die größte Leistung liegt aber eindeutig bei den fantastischen Hauptdarstellerinnen. Sabine Wolf und Karina Plachetka geben alles – Intimität, Hoffnung, Verzweiflung, ob im Bett oder im Streit. Ihr mitreißendes Spiel trägt den Film mühelos vorwärts und verleiht ihm erst seine volle Authentizität. Von diesen beiden und ihrer Regisseurin erwarte ich noch viel zu hören – und zu sehen.
„Zwei Mütter“ wird gezeigt bei der lesbischen homochrom Filmreihe, bei der L-Filmnacht und in Bonn zum Queer Monday am Montag, 27. Mai 2013, 19:00 Uhr in der Bonner Kinemathek
Website zum Film mit Trailer: http://zweimuetter.de
Zwei Mütter, D 2012
Buch und Regie: Anne Zohra Berrached
Producer: Cosima M. Degler, Karoline Henkel
Darstellerinnen: Sabine Wolf, Karina Plachetka
Fotos: Friede Clausz
Ich hab diesen Film auf dem ‚L-Beach‘ gesehen und er war ganz ok. Allerdings war jeder im Raum über den schnellen Schluss überrascht und hatte auf ein richtiges Ende gehofft.
WAs ich persönlich allerdings höchst interessant fand, war das Gespräch mit Müttern nach dem Film. Wie sie es getan haben, Freund als Spender, oder aber sich künstlich mit unbekannten Spermien inseminieren lassen haben, in Spanien. etc. Welche Rechte die nicht biologische Mutter hat und was passiert, wenn die Partnerin das Ei der andere nutzt um das Kind auszutragen.