kulturelle
Val McDermid: Vergeltung
Die Nr. Sieben der Jordan/Hill – Reihe:
In Bradfield schlachtet ein Serienmörder Prostituierte und in der ermittlenden Sondereinheit um Chief Inspector Carol Jordan herrscht leicht aggressive Abschiedsstimmung: die erfolgreiche Elitetruppe ist zu teuer geworden und wird aufgelöst. Der Erfolgsdruck im letzten großen Fall ist hoch, dazu die Ungewissheit, wie die Zukunft aussehen wird; für Jordan und ihr Team eine äußerst belastende Situation.
Doch das Blatt wendet sich zum Allerschlimmsten: Im Gefängnis von Oakworth stellt sich Jacko Vance einem ungleich höheren Erfolgsdruck. Der ehemalige Fernsehmoderator, inzwischen besser bekannt als überaus gerissener, psychotischer und bemerkenswert grausamer Killer, plant akribisch seine Zukunft: Zunächst Flucht in die Freiheit, anschließend der ganz große Rachefeldzug. Gnadenlose Vergeltung werden alle zu spüren bekommen, die ihn vor zwölf Jahren ins Gefängnis brachten. In erster Linie sind das Carol Jordan und der Profiler Tony Hill.
Die Flucht gelingt. Profiler Hill erstellt umgehend eine Risikoanalyse, benennt darin ganz klar alle Personen, an denen Jacko furchtbare Rache nehmen wird. Eine fieberhafte Suche nach Jacko Vance bricht los, die Nerven liegen blank.
Auch bei Jacko Vance, doch der hat zwölf Jahre Planungsvorsprung. Der perfide Killer bedient sich ganz ähnlicher Mittel, er hat von seinen Opfern gewissermaßen auch ein Psychogramm erstellt. Nicht ihnen direkt wird er weh tun, er wird ihnen „das Liebste“ nehmen… Doch ehe Tony Hill das erkennt, ist es bereits zu spät und der erste Doppelmord geschehen.
McDermids Nr. Sieben lässt mit Jacko Vance den Killer aus Nr. Zwei (Schlußblende 1997)) wieder los. Ein schöner Coup: In der Welt der Kriminalromane, wo Serientäter, blutüberströmte Betten und durchgeschnittene Kehlen den Alltag darstellen, lauert und überdauert „das Böse“. Auch bei zugeklapptem Buch und über fünf Romane hinweg. Und überhaupt heilt die Zeit hier nicht eine einzige Wunde: Vance wird gestoppt, aber zu spät und das eigentümliche Verhältnis zwischen Carol Jordan und Tony Hill ist noch komplizierter geworden. Strukturell ist dieser Plot ausgezeichnet bis hin zum überraschenden – übrigens auch überraschend flachen – Schluss: Jacko bedient sich nicht nur ähnlicher Mittel wie der Profiler, auch er unterliegt wie Tony Hill einer folgenschweren Fehleinschätzung. Flach erscheint „Vergeltung“ immer in den Momenten, in denen die Struktur Charaktere, echte Menschen mit Gedanken und glaubhaften Gefühlen einfordert. McDermid ist mit der Jordan/Hill – Reihe schon lange zur Serientäterin geworden – Psychogramme erstellt sie diesmal leider nicht. Spannend aber ist „Vergeltung“ allemal. Wer auf den ersten Seiten Rachemorde ankündigt und erst nach der Hälfte des 500-seitigen Romans Blut fließen lässt, weiß, wie Spannungsbögen gebaut werden!
Regine Anhamm
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