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Hass im toleranten Gewand bleibt Hass

Screenshot Günther Jauch vom 3.3.2013: Katherina Reiche

Der Kaufmann will sie, der Kauder eher nicht, der Schäuble ein bisschen. Die Kanzlerin bat sich Bedenkzeit aus. Bahnte sich tatsächlich eine Gleichstellungsrevolution in der CDU an? Für mich war dann doch die Nachricht, dass die kanadische Serie Lost Girl eine 4. Staffel bekommt, wichtiger als all die Schlagzeilen rund um das angebliche Hin und Her der konservativen Werte-Partei. Ahnte ich doch schon in der letzten Woche, dass auf die CSU, auf Homo-Hasser_innen wie Herrn Geis und auf Mutti Verlass sein dürfte. Gestern Nachmittag war dann endgültig klar: Natürlich wartet die CDU weiter ab, wie deren Präsidium klar stellte.

Am Sonntagabend hatte ich ganz bewusst die Jauch-Show ignoriert, weil ich es leid bin, dass im deutschen Fernsehen Menschen ein Forum geboten wird, die freundlich daher kommen mit Sprüchen wie: „Natürlich habe ich nichts gegen Schwule, aber…“ oder „Ich bin doch dafür, dass Lesben nicht diskriminiert werden, aber Kinder brauchen eine Familie.“ Wohlgemerkt „eine Familie“, und die werden in den Augen dieser Menschen lesbische Mütter und schwule Väter niemals bieten können. Da können wir uns noch so anstrengen.

Was an diesen Argumenten alles falsch ist, darüber will ich gar nicht schreiben. Das haben in hunderttausenden Zeilen und hunderten Interviews andere bereits erledigt. Ich will auch gar nicht versuchen, Menschen wie die oben genannte Staatssekretärin davon zu überzeugen, ihre Meinung zu ändern, einen Schritt auf uns zuzumachen.

Verlorene Liebesmühe nannte so etwas meine Großmutter. Menschen wie diese „Staatsdienerin“ lassen sich nicht überzeugen. Zu sehr verwurzelt versteckt sich tief in ihrem Inneren ein anti-demokratisches und verfassungsfeindliches Denken. Lange genug befragt, kommt am Ende solcher Debatten genau dies zu Tage. Da braucht es keine Rechtsauslegerin Erika Steinbach, die verzweifelt tweetet, wer denn die Verfassung vor deren obersten Richtern schützt. Denn dass die auf dem Holzweg sind, findet auch Frau Reiche. Nur nicht mit ganz so deutlichen, dafür viel freundlicher klingenden Worten.

Am Ende ist Verlass auf die, bei denen eben nicht alle Menschen gleich sind. Und schon gar nicht alle Kinder. Bei denen, die sich und ihr Lebensmodell gleicher finden. Bei denen, die behaupten, sie seien tolerant, weil sie tolerierten, dass es zumindest eine Lebenspartnerschaft gibt. Die finden: Jetzt sollten wir mal den Mund halten. Jetzt müsse es reichen. Die Angst davor haben, dass nun die Mama-Papa-Kind-Familie bedroht oder diskriminiert wird. So nach etwa einer halben Stunde zeigen sie immer ihr wahres Gesicht in den Fernsehrunden. Und das zeigt die Fratze der Hassenden. Die Fratze der Diskriminierenden. Die Fratze derer, die darauf bestehen, besser als andere zu sein.

Tagsüber habe ich mir dann den Jauch doch angetan. Ich wurde nicht enttäuscht. Ein schales Gefühl bleibt aber zurück und Wut. Die Wut darüber, dass den Reiches, den Geisens unserer Republik zu besten Sendezeiten erlaubt wird, weiterhin ihre Saat des Hasses zu säen. Einerseits perfide, andererseits gefährlich. Es ist ein Hass, der auf leisen Sohlen daherkommt, im Gewand eines eingefrorenen Lächelns; der sich als tolerant verkauft. Und der Hass im toleranten Gewand hat mehr Chancen auf fruchtbaren Boden zu fallen als der deutlich erkennbare. Es macht mich wütend, dass den Hassenden auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Bühne geboten wird. Dass sie mit ihrem toleranten Hass andere infizieren dürfen. Ich will, dass das aufhört. Jetzt! Nicht Morgen. Nicht Übermorgen. Sondern heute.

Foto: Screenshot von Katherina Reiche aus der Sendung Günther Jauch vom 3.3.2013

Nachtrag 1
Wenn doch die nächste Talkshow droht, gibt es zumindest von Lorenz Mayer jetzt eine spielerische Art und Weise mit den diskrimierenden Äußerungen umzugehen: Das Homo-Ehe Bullshit-Bingo:

Das Homo-Ehe Bullshit-Bingo von Lorenz Mayer

Foto: © Lorenz Mayer, www. sheng-fui.de

Nachtrag 2
Wie absurd die Ängste der sich bedroht Fühlenden tatsächlich sind, zeigt ein YouTube-Werbeclip, der gerade die virale Welt erobert. Der Internet-TV-Sender Queerblick, ein Projekt junger Lesben und Schwuler, hat ihn mit deutschen Untertiteln versehen.

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