querelle
Passen Lesben und Schwule zusammen?
Nun, das ist eine ziemlich weit greifende Gretchenfrage.
Ob es wohl reicht, wenn ich einfach ein großes, dickes „JA“ als Antwort aufschreibe und das an die phenomenelle-Redaktion schicke? Vielleicht als Garnierung noch ein paar Ausrufezeichen hinten dran? „JA!!!“. Oder eine Portion „A“s dazu, um etwas Begeisterung mitschwingen zu lassen? „JAAAA!!!“
Ich fürchte, so plump komme ich aus der Nummer nicht raus. Und mein Ruf als Gastautor wäre – kaum begonnen – gleich wieder dahin. Etwas mehr als meinen ersten Impuls dazu sollte ich schon hinkriegen. Das gelingt am besten, wenn ich dafür meine Brille als schwuler Journalist aufsetze, und die derzeit existierenden Szenemedien im Fokus betrachte…
Ach Mist! Warum muss ich auch auf die Idee kommen, als erstes die phenomenelle-Seite zu betrachten? Ich stoße auf ein Uralt-Banner von queer.de! Das ist ja sehr nett, liebe Kolleginnen, mit dieser Anzeige auf unsere Seite zu verlinken. Nur was lese und sehe ich dort in perpetueller Animation?
1. „Jeden Tag auf queer.de“ (Bild: Mann von vorn).
2. „Politik – Kultur – Reisen“ (Bild: Mann von hinten).
3. „Wir zeigen viele Seiten!“ (Bild: Mann von hinten).
Mein Gott, ist das peinlich! Treffender als mit unserem Banner, der sich einer rein schwulen Bildsprache bedient, lassen sich die Defizite, die es bezüglich des Zusammengehörigkeitsgefühls gibt, wohl kaum ausdrücken. Gerade unter einem Label queer, einem Begriff, der unter anderem für die Vielfalt und Gleichheit von (gern auch wechselbaren) Identitäten steht, wäre doch so viel Platz für all diejenigen, die zunächst einmal über die Mindestschnittmenge „sexuelle Minderheit“ zueinander gefunden haben.
Warum wir dieses Potential dann nicht voll nutzen und überwiegend Inhalte für schwule Männer produzieren? Zum einen aus historischen Gründen. Das 2003 aus den Trümmern der Monatszeitung QUEER entstandene Projekt queer.de haben diejenigen begonnen, die noch genug Motivation übrig hatten, weiterhin ein Medium für die Community zu betreiben – und das waren eben nur Männer. Zum zweiten beackern wir einen nicht alle sattmachenden Markt in der Mediennische „special interest“, auf dem es nach wie vor einfacher und wirtschaftlicher ist, sich überwiegend einem schwulen Publikum zuzuwenden. Die Werbewirtschaft hält den schwulen Markt für lohnender und engagiert sich dort stärker. Das sorgt bei unserer Themenwahl wiederum für einen Drall ins Schwule.
Ein Blick in die übrige Medienlandschaft der Community zeigt aber, dass dies eher die Regel denn die Ausnahme ist. Die kostenlos verteilten schwul-lesbischen Stadtmagazine sind vorwiegend Blätter für Schwule, versehen mit einem LGBT-Deckmantel.
Einzige Ausnahme: Die Siegessäule. Mit einem Quasimonopol im Rücken bei Anzeigen und Vertrieb sowie einer inhaltlich guten Redaktion an der Front, war den Berliner Szeneschwuppen durchaus beizubringen, dass man das Heft auch ohne halbnackte Sixpack-Jungs mit nach Hause nehmen kann. Bei den Printtiteln am Kiosk ließe sich ein ernst gemeintes, gut gemachtes schwul-lesbisches Magazin zwar denken, doch es gibt einen guten wirtschaftlichen Grund, warum es hier nach wie vor getrennt läuft: Verkauft wird fast ausschließlich über das Cover!
Wer sich schon immer gefragt hat, warum auf den TV-Zeitschriften immer und ewig eine blonde Frau aus dem Klon-Labor gezeigt wird, hat jetzt die Antwort: Wäre die Blonde rothaarig oder wäre es ein Mann, brächen die Verkaufszahlen ein. Schwule wollen entsprechend ihre Kerle auf dem Titel haben, Lesben ihre weiblichen Idole. Einen vergleichbaren Effekt kennen wir Onliner übrigens aus der Auswertung unserer Zugriffszahlen. Welche Themen kriegen wohl am meisten Klicks? Boulevard läuft besser als Politik und ein halbnackter Bursche auf dem Teaserbild reißt so manch dröges Thema in ungeahnte Höhen. Unser Kleinhirn liest immer mit…
Passen Lesben und Schwule – aus Sicht des Szene-Medienmachers – zusammen? Aus dem lauthals gerufenen „JA“ vom Anfang, würde ich ein nüchtern-bestimmtes „Ja!“ machen. Und zwar immer da, wo es passt. Immer dann, wenn man sich gegenseitig und die Ziele der Community stärken und fördern kann. Das muss nicht gleich zum Massengekuschel werden, es gibt nach wie vor auch einen Wettbewerb, der alle treibt. Die L.Mag ist ein tolles Blatt, aber Meldungen aus dem lesbischen Leben sind trotz allem mehr und täglich bei queer.de zu finden.
Zwei Ideen, wo das Miteinander Sinn macht:
Zum Beispiel wirtschaftlich. Professionell betriebene schwule, lesbische, Trans-, Queermedien könnten sich durch eine gemeinschaftliche Vermarktung gegenüber den Agenturen, die die Etats für Kampagnen verwalten, gemeinsam in ihrer vollen Pracht und Reichweite präsentieren.
Zum Beispiel inhaltlich und politisch. Das Fördern und Festigen der (sexuellen) Identität von Menschen durch die Vermittlung von verbindenden kulturellen Wurzeln, durch das Wachhalten der Erinnerung an eine gemeinsame Geschichte oder das Präsentieren von Rollenvorbildern, die gelernt haben, sich als Mensch mit anderer sexueller Orientierung selbst zu lieben; das ständige Zurückweisen und Entlarven intoleranter, gegen die Freiheit gerichteter Kräfte oder den Abbau von Homophobie; all das sollten les-bi-schwul, trans & Co-Medien gemeinsam als publizistische Aufgabe wahrnehmen und angehen.
Es gäbe also verdammt viel kreativ und produktiv miteinander zu tun. Mein persönlicher erster Schritt dazu? Ich entwerfe mal eine neue – queere – Bannervorlage für queer.de…
Passen Lesben und Schwule zusammen?
Gegenfrage:
Passen Frauen und Männer zusammen?
Antwort von Loriot:
Frauen und Männer passen einfach nicht zusammen.
Lesben sind Frauen. Schwule sind Männer. Noch Fragen? 🙂
But let’s get serious:
Wir, als schwules Paar, haben in unserem Bekanntenkreis schwule Paare, lesbische Paare, heterosexuelle Paare und von allen jeweils auch Singles. Und sie verstehen sich untereinander und mit uns ausgezeichnet.
Ich habe ehrenamtlich, im schwullesbischen Bereich, immer gern mit Lesben zusammengearbeitet und mich gut mit ihnen verstanden.
Gegenseitige Akzeptanz (die Steigerung von Toleranz) setzt sicher nicht voraus, dass mann/frau unbedingt dieselben (sexuellen und anderen) Interessen verfolgen muss. Wäre das so, würden wir uns jeden Impulses und jeder „anderen“ (oft innovativen) Denkweise, die ja meist „von außen“ zu uns gelangt, berauben.
Das kann ja wohl nicht gewünscht sein und würde mich stark an ein „Reservat“ oder „Ghetto“ erinnern, in dem ich nicht leben möchte.
Gerade im politischen Kampf für Gleichberechtigung Homosexueller (Lesben und Schwule) habe ich Lesben oft als sehr rational agierende Mitkämpferinnen erlebt und möchte sie (nicht nur dort) nicht missen.
Reicht Euch das zunächst als individuelle Meinungsäußerung?
Auf Wunsch würde ich das auch noch im Detail erläutern.
Nö…Lesben haben nur ihre eigenen Interessen im Kopf und wie frau noch mehr Privilegien einheimst ohne Verantwortung zu übernehmen. Frauenquoten usw.
Alles was Männern widerfährt widerfährt mir als Schwuler genauso, ausser vielleicht den Stress mit den Familengerichten.
Ich mag keine (politischen )Lesben und kann das Gelaber vom Patriarchiat nicht mehr hören.
Ich fühle mich in der Männerrechtsbewegung besser aufgehoben.
@Sebastian
„… Nö…Lesben haben nur ihre eigenen Interessen im Kopf und wie frau noch mehr Privilegien einheimst ohne Verantwortung zu übernehmen. Frauenquoten usw. …“
Junge, Junge, was für dämliche Klischees!
Da schämt man(n) sich ja fast schwul zu sein, wenn man solchen Schwachsinn liest.
Naja, so auf der Gesamtebene hat man schon oft das Gefühl das man zwar eine gemeinsame Basis hat, aber die Schnittpunkte doch eher dünn gestreut sind. Das fängt schon mit den unterschiedlichen Klischees an und hört mit den geschlechtsspezifischen Problemen auf. Beziehungsweise wirkt sich das fehlen des anderen Geschlechts in der Beziehung ja auch anders aus, z.B. finanziell (Männer verdienen oft anders) versus schwierige Familienplanung (ist bei zwei Frauen halt noch machbarer). Die gesellschaftlichen Probleme sind doch sehr unterschiedlich und das trennt einen dann doch wieder. Weswegen gemeinsame Magazine oft nur auf der politischen Ebene wirklich interessant sind. Der Rest ist oft schwieriger unter einen Hut zu bringen, ich glaube auf der öffentlichen Ebene (Freundeskreise etc. ist schon was anderes) passen wir nicht so sehr zusammen wie man meinen könnte.