kulturelle
Frauen verlegen lesbische Bücher
Der Verlag Krug & Schadenberg
Fast 20 Jahre ist es her, seit die Grafikerin Dagmar Schadenberg und die Lektorin und Übersetzerin Andrea Krug den Verlag Krug & Schadenberg gründeten. 1993, zielstrebig am 1. Mai, gingen die Verlegerinnen an den Start. Und was tun sie seitdem? Sie verlegen Bücher für Lesben und frauenliebende Frauen: Literatur (vor allem Romane, gelegentlich Erzählungen) und Sachbücher zu allen möglichen lesbischen Lebenslagen: vom Coming-out über Liebe, Erotik und Sex bis hin zur Pflege von allerlei Liebesbeziehungen – was auch die Beziehung zu Müttern und Vätern oder zu Ex-Geliebten einschließt – oder nehmen Themen wie Schönheit, Alter, Wechseljahre, Rachegelüste unter die Lupe … Für neue Ideen sind die beiden immer aufgeschlossen.
Ein phenomenelles Interview mit Verlegerin Andrea Krug
Wie war der Start des Verlags?
Die erste Veröffentlichung im Herbst 1993 löste gleich eine kontroverse Debatte über politische Korrektheit aus: Susie Brights Susie Sexperts Sexwelt für Lesben – ein im besten Sinne unverschämter, witziger Ratgeber und Bestseller und eines unserer ersten demnächst erscheinenden E-Books … Nach diesem fulminanten Start folgte der erste Roman, Die Wahl des Glücks von Nancy Toder – eine Coming-out-Story, die zeitlos schön und noch immer im Programm ist. Neben der ’schönen Literatur‘ finden sich auch klassische und erzählende Sachbücher zu allem möglichen Themen rund ums lesbische Leben.
Und wer macht eigentlich was?
Dagmars Job ist es …
… unsere Bücher einzukleiden. Sie gestaltet jedoch nicht nur die Umschläge, sondern ist auch für die Innengestaltung und den Satz zuständig bis hin zu den Anzeigen hinten im Buch. Unsere leider sparsame Anzeigenwerbung macht sie ebenso wie unsere Werbemittel. Und wenn wir mal schnell ein Plakat brauchen für den Stand bei L-Beach … oder Flyer fürs lesbischwule Stadtfest … Darüber hinaus betreut Dagmar auch die Herstellung der Bücher und die Website, die fortlaufend aktualisiert werden will. Und sie liest einen Teil der Manuskripte sowie die Lizenztitel – also der Bücher, die wir von ausländischen Verlagen einkaufen –, die in der engeren Auswahl sind. Dagmars aktuelle Herausforderung: unsere Print-Bücher in E-Books zu verwandeln …
Mein Job ist …
… alles andere (bis auf die ausgelagerte Vertriebsarbeit). Worauf ich minimum fünf Tage der Woche verwende. Dagmar verdient einen Teil ihrer Brötchen bei einem anderen Verlag. Ich bin zuständig für Programm, Lektorat, die meisten Übersetzungen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Facebook & Co., die gesamte Büroorganisation und die Finanzen. Eine fortwährende Herausforderung. Und das Bestellwesen. Ich liebe es, Kundinnenbestellungen zu bearbeiten (so habe ich genau im Blick, was „unsere Frauen“ lesen wollen) und die Päckchen zu packen – das erdet ungemein, wenn ich zuvor Stund um Stund mit Buchstaben jongliert habe. Das, was sich viele Frauen unter Verlagsarbeit vorstellen, nämlich gemütlich dazusitzen und zu lesen, findet eigentlich erst nach Feierabend auf dem heimischen Sofa statt. Wir bekommen pro Woche zwei bis drei Manuskripte zugeschickt. Oftmals stellt sich schon nach wenigen Seiten heraus, dass ein Text für uns nicht in Frage kommt – aus inhaltlichen Gründen (z.B. weil es eine Heterogeschichte ist) oder aufgrund unzureichender literarischer Qualität. Wenn ein Text passt und uns gefällt, ist das immer eine Sternstunde! Dann lernen wir eine neue Autorin kennen, laden sie zu uns ein, und in der Regel ist das der Beginn einer intensiven, fruchtbaren Zusammenarbeit, die in ein tolles neues Buch mündet. Das ist sehr spannend und bereichernd!
Die Frage nach amazon …?
Über amazon.de zu bestellen ist sehr bequem, sehr verlockend. Das wissen wir. Dieser Riese verdrängt jedoch zunehmend den stationären Buchhandel, und das ist ein Problem nicht nur für die Buchhandlungen, sondern auch für unsere Leserinnen und für uns. Weniger Buchhandlungen heißt, Ihr findet unsere Bücher immer seltener direkt vor Ort und habt gar mehr nicht die Chance, Entdeckungen zu machen, ein Buch in die Hand zu nehmen, hineinzuschnuppern, dann zu kaufen. Dieses Erleben lässt sich nicht wirklich durch virtuelle Vorschläge des Riesen und Leseproben im Netz ersetzen. Doch abgesehen davon: Ein großes Problem sind für uns (wie alle anderen Verlage) auch die Konditionen des Internetriesen, die sich auf rund 50% Rabatt belaufen. Es leuchtet unmittelbar ein, dass es für uns als Verlag sehr viel günstiger ist, wenn Frauen direkt bei uns bestellen. Und das ist in unserer engen finanziellen Situation immens wichtig, um auch künftig Bücher für Euch machen zu können. Und übrigens: Wir liefern fast genauso schnell und in der Regel mit Blümchen (-Briefmarken).
Sind Lesben eine kritische Zielgruppe?
Na klar! Das ist auch gut so, denn es spornt uns zu Höchstleistungen an. Auch wenn wir manchmal innerlich bibbern, wie ein neues Buch denn wohl ankommen mag. So zum Beispiel Als das Cello vom Himmel fiel von Ivan E. Coyote, wo wir doch tatsächlich gewagt haben, unseren Leserinnen einen Roman mit einer männlichen Hauptfigur anzubieten. (Es kommen auch zwei Lesben darin vor …) Oder bei dem wunderschönen Roman über eine späte große Liebe, Mrs. Medina, in dem die Protagonistin verheiratet ist und ihren Mann in seinen letzten Lebensjahren begleitet, während sie sich gleichzeitig in eine junge Blumenverkäuferin verliebt. Auch als wir angefangen haben, die Bücher von Karin Kallmaker, die ja nun wirklich durch und durch lesbisch schreibt, zu verlegen, waren wir unsicher: Werden die Romane der „Queen of Lesbian Romance“ hierzulande ankommen? Oder würden sie als zu kitschig durchfallen? Dürfen wir auch locker-leichte lesbische Liebesromane veröffentlichen, die keinen großen literarischen Anspruch haben? – Natürlich gelingt es uns nicht, mit jedem Buch bei jeder Leserin alle fünf Sterne zu gewinnen, aber das ist auch ein Ding der Unmöglichkeit. Letztlich jedoch sind Lesben eine Zielgruppe, für die sich das Büchermachen auf jeden Fall lohnt – wir bekommen zwar auch mal kritisches Feedback, aber sehr oft auch enorm viel Zustimmung und Lob, was uns dann wiederum zu neuen Taten beflügelt.
Die Frage nach den Lieblingsbüchern …?
… ist unfair!!! Ich habe sehr viele Lieblinge, wohl die Hälfte unseres Programms … Darunter ältere Perlen wie Sor Juanas zweiter Traum über die begnadete Sappho Mexikos oder Sarahs Töchter, den Roman über jüdische Lesben im zaristischen Russland und der Neuen Welt, dann Mrs. Medina, aber auch neuere Entdeckungen wie den vorzüglichen Roman Auszeit von Claudia Breitsprecher. Ein ganz frisches Herzenskind ist sicherlich Smalltown Blues von Birgit Utz – einfach hinreißend. Aber dann wiederum auch ergreifend Das Mädchen Manuela … Ach, Lieblinge ohne Ende … Und am Horizont zeichnen sich schon die Frühjahrstitel 2013 ab …
Mich hingegen würde interessieren, welches Eure Lieblinge sind …? Was die Macherinnen und die Leserinnen von phenomenelle lesen und künftig mehr lesen möchten … Bitte gleich mailen an ak@krugschadenberg.de.
Und in fünf Jahren …?
… haben wir all unsere Bücher als ebooks herausgebracht … Nicht nur, aber auch. Sofern es Krug & Schadenberg in fünf Jahren noch gibt. Das muss ich mal ganz klar sagen. Wir brauchen das Feedback unserer Leserinnen. Wir brauchen Eure Nachfrage nach lesbischer Literatur. Das heißt, wir sind darauf angewiesen, dass Ihr unsere Bücher kauft und weiterempfehlt – als Leserinnen, Rezensentinnen, Buchhändlerinnen … Möglich, dass sich die Nachfrage irgendwann erledigt hat. Dass es keinen Bedarf mehr gibt an lesbischen Kulturgütern wie Bücher, Filme, Zeitschriften … Dann schließen wir unseren Verlag, ihr schaltet phenomenelle ab, und wir überlegen alle zusammen, was wir als Nächstes anstellen können …
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